Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

75 Sprachreflexion Textkompetenz Während die Bibel es für gegeben ansieht, dass alle Sprachen auf eine gemeinsame Ursprache zurückgehen (Monogenese), nimmt die heutige Sprachwissenschaft an, dass sich die Sprache an verschiedenen Stellen der Welt unabhängig von einander entwickelt hat (Polygenese). Obwohl es keine Zeugnisse der menschlichen Sprache der Frühzeit gibt (50.000 bis 12.000 v. Chr.), ist die Wissenschaft überzeugt, dass die Sprache des Homo sapiens nie eine „primitive“ Sprache war, sondern von Anfang an zur Meisterung der Aufgaben innerhalb der menschlichen Gemeinschaft vielschichtig aufgebaut war. Alle Sprachen dienen den Kommunikation, Lautsprache in ihrem ursprüng- lichsten Sinn, muss damals bereits ein entscheidendes Hilfsmittel für den Gruppenzusammenhalt gewesen sein, ein Hilfsmittel zur Paarbindung, aber auch für die soziale Gruppe – die Erfolgsgarantie auf dem Wege zum Homo sapiens. […] Wie groß war denn aber so eine Gruppe? Es gibt gute Schätzungen, dass die ur- sprüngliche Gruppengröße unserer Vorfahren bei rund 150 Individuen gelegen haben mag; eine Zahl, die vielleicht dreimal größer war als bei heute lebenden Menschenaffen. Studien zeigen, dass heute in moder- nen Ballungsräumen ebenso etwa 150 Personen dem Bekanntenkreis eines Städters entsprechen. In einer solchen Gruppe gibt es jedoch nicht nur Freunde; es gilt sich gegen Konkurrenten zu wehren, […] Verbün- dete zu suchen, die eigene Position immer wieder ab- zusichern. Wir haben heute dazu als wohl mächtigstes Instrument die Sprache. Menschenaffen sichern ihre eigene Position in der Gruppe (rund 50 Individuen) mit einer besonderen Form von Aktivität, der sie im Freiland maximal 20 % ihrer Zeit widmen, nämlich dem Kraulen, grooming, „Läusesuchen“. Damit wird Vertrautheit geschaffen und der Gruppenzusammenhalt gesichert. Bei einer Gruppengröße von 150 Individuen müssten sie jedoch schon 40 % ihrer Zeit für „Grooming-Aktivitäten“ auf- wenden, was eine akute Zeitbudget-Krise auslösen würde, da es ja auch noch viele andere Aktivitäten zu erfüllen gilt. Auf demWege zumMenschen wurde die- ses Problem mit einem wesentlich effektiveren sozia- len Bindungsmechanismus, über den Erwerb der „Laut- Sprache“ gelöst. 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 Die Entstehung der Sprache in Bezug zu gesellschaftlichen Entwicklungen sehen Fassen Sie die beiden oben geschilderten Entwicklungen zunächst mündlich zusammen, die zur Entstehung der Sprache geführt haben. Schreiben Sie im Anschluss daran eine Zusammenfassung von etwa 270 bis 330 Wörtern: Geben Sie den Inhalt wieder, erläutern Sie die Funktion der Lautsprache und die Vorteile der menschlichen Sprache gegenüber der Verständigung der Menschenaffen. Die Naturwissenschaft sieht die Sprachfähigkeit des Menschen in zwei Regionen des Großhirns lokalisiert, der Broca-Region und dem Wernicke-Areal. Befassen Sie sich fächerübergreifend (Biologie) mit diesen beiden Sprachzentren oder schlagen Sie Informationen dazu in Lexika oder im Internet nach. 7.1 a b Die Vielfalt der Sprachen Geographische Großregion Gesamtzahl der Sprachen Anzahl der Mio.-Sprachen Anzahl der kleineren Sprachen Anzahl der Zwergsprachen Welt insgesamt 6.417 273 (4,2 %) 4.162 (64,8 %) 1.982 (30,8 %) Asien 1.906 126 (6,6 %) 1.549 (81,3 %) 231 (12,1 %) Afrika 1.821 92 (5,1 %) 1.607 (88,2 %) 122 (6,7 %) Pazi k 1.268 1 (0,1 %) 507 (40,0 %) 775 (61,1 %) Amerika 1.013 10 (0,9 %) 428 (42,2 %) 575 (56,7 %) Australien 266 – 11 (4,2 %) 255 (95,8 %) Europa 143 44 (30,7 %) 69 (48,3 %) 15 (10,5 %) Quelle: Horst Seidler: Was uns zu Menschen macht. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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