Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 7 Sprache: Entstehung und Entwicklung 74 Die Entstehung der Sprache Die Sprache ist das wichtigste aller menschlichen Kommunikations- und Informationssysteme. Doch nicht nur mit und in der Sprache kann man nachdenken, sondern auch über die Sprache. Die ersten Gedanken über die Sprache findet man dort, wo man sie nicht vermuten würde, in der Bibel. Im Ersten Buch Moses, der Genesis, heißt es: „Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte.“ Doch das sollte nicht lange so bleiben: Die Menschen begannen – so die Bibel – ein hohes Gebäude zu bauen, den berühmten Turm zu Babel. Das missfiel Gott, und er beschloss Folgendes: „Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, so dass keiner mehr die Sprache des andern versteht. Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde, […] dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt.“ Worüber die Bibel in Bildern und Geschichten berichtet, darüber gibt natürlich auch die Wissenschaft Auskunft. DIE GRENZEN DER GEBÄRDENSPRACHE UND DER ERWERB DER LAUTSPRACHE Sie gehören zu den ältesten Steinwerkzeugen der Welt: Schaber, Spitzen, Keile, verfertigt vom Homo habilis, den viele Anthropologen als den frühesten Vertreter der Gattung Mensch ansehen und der vor etwa 1,8 Millionen Jahren lebte. Gefunden wurden sie in Ostafrika. Nahezu ebenso alte Steinwerkzeuge desselben Typs wurden vor kurzem in Asien, im heutigen Georgien, gefunden, das offenbar in einer der ersten Auswanderungswellen von unseren afrikanischen Vorfahren besiedelt wurde: Sprachreflexion Textkompetenz Maturatextsorte: Zusammenfassung Sprache: Entstehung und Entwicklung Entstehung, Vielfalt, Veränderungen der Sprache(n) – unseres wichtigsten Kommunikationsmittels – und schließlich vertieftes Wissen über „unsere“ Sprache, das Deutsche, das sind die Themen dieses Kapitels. r9i22e SPRACHRAUM 7 Welch erstaunliche Leistungen haben diese Auswande- rer erbracht! Sie nahmen ihre afrikanische […] erfolg- reiche Steinkultur mit; sie müssen über hohe soziale Intelligenz verfügt haben, um eine solche Wanderung erfolgreich bewältigen zu können; sie müssen […] über Kommunikationsstrategien verfügt haben, die er- folgreich den Gruppenzusammenhalt sicherten, die Sicherheit der Kinder garantierten. Da bei einer sol- chenWanderung ins Ungewisse jeder Tag Neues bringt und an jedem Tag neu gelernt werden muss, um Un- vorhersehbares zu bewältigen, ist soziales Lernen zur Sicherung der Gruppe von essentieller Bedeutung. Unsere Vorfahren vor dem Homo erectus […] lebten noch in multi-male und multi-female groups mit nur geringer Tendenz zur Paarbildung; die Nachkommen dürften auch nicht so unreif zur Welt gekommen sein; sie bedurften noch nicht jener intensiven und liebevol- Dieser Lernprozess, das Weitergeben von Erfahrungen und die Anpassung dieser Erfahrungen an sich än- dernde Umweltbedingungen, bedeutete immer neue Herausforderung für die Qualität der Kommunikation der Gruppe ebenso wie für die Weitergabe von Erfah- rungen von einer Generation an die nächste – eine grandiose Leistung! Nur mit Gebärdensprache alleine wäre das wohl kaum so erfolgreich zu bewerkstelligen gewesen. Einfache, aber effektive Formen der lautli- chen Mitteilung müssen bereits zum Kommunikati- onsstandard gehört haben. len nachgeburtlichen Zuwendung und Geborgenheit, die die Menschen dann in all ihren evolutionären Ent- wicklungsstufen benötigten und auf die sie nach wie vor dringend angewiesen sind. Der Erwerb und die Verfügbarkeit einfacher verbaler 2 4 6 8 10 12 2 4 14 16 18 20 22 6 8 Etwas später tritt, ebenfalls in Ostafrika, das erste von der Wissenschaft unumstritten als Mensch bezeichnete Wesen auf, der Homo erectus: Er hatte etwa unsere Körpergröße, sein Skelett ist voll an den aufrechten Gang angepasst, sein Gehirn übertrifft in Größe und Leistungsfähigkeit bei weitem das seiner „Vorfahren“. Und vor allem: Seine Babys werden „vorzeitig“ geboren, erst nach der Geburt vollzieht sich die weitere Entfaltung des Großhirns, dessen Entwicklung wesentlich abhängt von positiven sozialen Einflüssen: Lernen in der Gruppe, Geborgenheit, Zuwendung – genauso wie bei uns, dem Homo sapiens. Das bringt aber auch neue Aufgaben für Vater und Mutter und für die gesamte Gruppe: Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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