Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

61 DIE NEUEN MEDIEN UND DIE ZUKUNFT DES LESENS Der Wissenschafter Tilman Dingler, Gesprächspartner im folgenden Interview aus dem „Standard“ vom 26. 1. 2016, forscht am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme an der Universität Stuttgart und befasst sich mit Geräten und Software für die Interaktion zwischen Mensch und Computer, insbesondere zur Erweiterung und Unterstützung des Gedächtnisses. Lesen Sie zunächst das Interview. der Musikverkaeufe in AT erfolgen online Weltweit sind es 45 % Umsatz in Mio. Euro (2015) Downloads CDs 22 % Marktanteil von E-Books Umsatz- wachstum 2013 8 % 2014 60 % 4 % in AT nutzen Video on Demand planen, ihren Sat-/Kabelanschluss zu kuendigen 42 % 12 % 68,5 Downloads/Streams 6,7 Mrd. Dollar 31,4 43,4 Andere Streaming erfolgt via Smartphone Computer 77 % 45 % 34 % Tablet 30 % 65 % 47 % 33 % 13 % Smart-TV Inhalte TV-Programm Filme Dokus Serien Alle Wände als Bildschirme: Der Computerwissenschafter erforscht, worauf wir in 20 Jahren lesen derStandard.at: Herr Dingler, hat Ihre Profession als Leseforscher eigentlich Zukunft? Sagt uns die Ent- wicklung von Youtube nicht eher, Sie und ich sollten uns mit Video beschäftigen? Dingler: Das Lesen wird nicht aussterben – wäre ja auch schade: Wir beschäftigen uns ja schon ein paar tausend Jahre damit. Das Lesen wurde übrigens schon in der Antike verteufelt: Sokrates hat – sinnge- mäß – gesagt, wir würden durch das Outsourcing vonWissen faul. ZumGlück haben das seine Schüler nicht so gesehen – und haben seine Sachen trotzdem aufgeschrieben. derStandard.at: Also: Wenn sich das Lesen schon ge- gen Sokrates durchgesetzt hat, wird es auch Youtube überleben? Dingler: Lesen ist kulturell so tief in unserer Gesell- schaft verwachsen und psychomotorisch so in uns drin – das geht nicht mehr weg. Trotz Multimedia und der ganzen multimodalen Interfaces 1 nehmen wir das allermeisteWissen über Text auf – ob auf dem Handheld 2 , PC oder Papier. derStandard.at: Und Text bleibt Text, seit ein paar tausend Jahren? Dingler: […] Wir haben uns angeschaut, wie in zehn oder 20 Jahren ein Interface für das Lesen aussehen könnte. Zum Beispiel ein Lese-Interface für Uhren. Oder auch für Büroumgebungen mit extrem großen Displays. Unser Szenario war: Jede Wand ist interak- tiv. Wie verändert das die Informationsdarstellung, welchen Einfluss hat das für die Aufnahmefähigkeit des Nutzers? derStandard.at: Verraten Sie uns Erkenntnisse aus diesen Studien mit doch sehr weit auseinander lie- genden Extremen? Dingler: Diese wandgroßen, hochauflösenden Dis- plays untersuchen wir gerade. Wir haben etwa eine Beispiel-Applikation, […] diemir das ganze Buch vor Augen führt. […] derStandard.at: Recht aktuell ist das andere Extrem – siehe Apple-Uhr. Gibt es schon Erkenntnisse zum Miniaturlesestoff am Handgelenk? Dingler: Schon 2014 wurde eine kommerzielle Technologie vorgestellt unter demTitel „Spritz“. Statt mit dem Auge den Text abzufahren, wird, grob ge- sprochen, der Text in mein Auge projiziert. Damit reduziert man die Augenbewegung, die Lesege- schwindigkeit kostet. Das ist natürlich ganz nett für Uhren oder Smartphonesmit begrenzter Bildschirm- fläche. Allerdings haben Studien aus Kalifornien auch nachgewiesen, dass es zum Verständnis des Textes beiträgt, wenn man im Text zurückspringt. derStandard.at: Und da gibt es praktisch kein Zu- rück. Dingler: Anspruchsvolle Texte, gerade mit ambiva- lenten Satzstrukturen, sind so eher schwierig aufzu- nehmen. Meinen Twitter-Feed oder E-Mails werde ich schon realistisch so lesen können. […] Aber das Faszinierende daran ist, unsere Augen lesen langsa- mer, als das Gehirn verarbeiten kann. Das heißt, das Gehirn fängt an, sich zu langweilen, und schweift ab. Nun fragt man sich: Kann man die Augenbewegun- gen so trainieren wie einen Muskel und ein Muster vorgeben, um dem Gehirn einen stetigen Fluss an Information zu geben, der einen aufmerksam und fokussiert einen Text lesen und verstehen lässt? […] derStandard.at: Wie und worauf lesen Sie denn? Dingler: Ich lese sehr gern auf meinem Kindle, weil ich relativ viel unterwegs bin und fünf bis zehn Bü- cher parallel lese. Ich habe aber tatsächlich auch phy- sische Bücher zu Hause stehen. derStandard.at: Und wie ist das so, mit einem richti- gen Buch? Dingler: Hardcover frustrieren mich inzwischen. Wenn ichmich in den Lesesessel reinschludere, dann lässt sich immer eine Seite des Buches gut lesen, 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=