Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

  170 Auf welche Untat des Fürsten am nächsten Tag müssen der Bauer und seine Frau warten? Welche „emotionale“ Bedeutung hat das Bett vor allem für die Frau? An welchen „Ausweg“ denkt der Mann zunächst? Welcher Gedanke „tröstet“ ihn und lässt ihn das Leben weiter auf sich nehmen? Deuten Sie den letzten Satz der Frau; lässt er die Erwartung aufkommen, dass sich für sie und ihren Mann in diesem Leben etwas zum Positiven ändern wird? Welches als Adjektiv und Nomen gebrauchte Schlüsselwort dominiert und weist Sie klar auf die Epoche hin, in der dieser Text entstanden ist? Welche Definition gibt Wolff diesem Schlüsselbegriff? Text 4: Christian Wolff: Vernünftige Gedanken von der Menschen Tun und Lassen Weil unsere Handlungen durch dasjenige, was aus ihnen folgt, gut oder böse werden, so wird zu ihrer Beurteilung eine Einsicht in den Zusammenhang der Dinge erfordert. Da nun die Einsicht in den Zu- sammenhang der Dinge die Vernunft ist, so wird das Gute und das Böse durch die Vernunft erkannt. Und demnach lehrt uns die Vernunft, was wir tun und lassen sollen. […] Wer also sein Tun und Las- sen nach der Vernunft einrichtet, das heißt also, vernünftig handelt, der lebt auch nach dem Gesetz der Natur, und insoweit einer vernünftig ist, inso- weit kann er nicht dem Gesetze der Natur zuwider handeln. 2 4 6 8 10 12 Textkompetenz Schriftliche Kompetenz Literarische Bildung Text 3: Anton Leisewitz: Die Pfändung Ein Bauer und seine Frau. Abends in ihrer Schlafkammer. Der Mann: Frau, liegst du? So tu ich das Licht aus. Dehne dich zu guter Letzt noch einmal recht in deinem Bette. Morgen wird’s gepfändet. Der Fürst hat’s verprasst. Die Frau: Lieber Gott! Der Mann indem er sich niederlegt: Bedenk einmal das wenige, was wir ihm gegeben haben, gegen das Geld, was er durchbringt […]. Der Mann: Aber wahrhaftig! Wenn auch in dem Kirchengebet das kommt: „Unsern durchlauchtigen Landesherrn und sein hohes Haus“, so kann ich nicht mitbeten. Das hieße Gott spotten, und er lässt sich nicht spotten. Die Frau: Freilich nicht! – Ach! Ich bin in diesem Bette geboren, und, Wilhelm, Wilhelm, es ist unser Brautbett! Der Mann springt auf: Bedächte ich nicht meine arme Seele, so nähm ich mein Strumpfband, betete ein gläubig Vaterunser, und hinge mich an diesen Bettpfosten. Die Frau schlägt ein Kreuz: Gott sei mit uns! – Da hättest du dich schön gerächt! Der Mann: Meinst du nicht? – Wenn ich so stürbe, so würdest du doch wenigstens einmal seufzen! Die Frau: Ach Mann! Der Mann: Und unser Junge würde schreien! Nicht? Die Frau: Gewiss! Der Mann: Gut! An jenem Tage [des Jüngsten Gerichts] ich, dieses Seufzen und Schreien auf einer Seite – der Fürst auf der andern! Ich dächte, ich wäre gerächt. Die Frau: Wenn du an jenen Tag denkst, wie kannst du so reden? Da seid ihr, der Fürst und du, ja einander gleich. Der Mann: Das wolle Gott nicht! Siehe, ich gehe aus der Welt, wie ich über Feld gehe, allein, als ein armer Mann. Aber der Fürst geht heraus, wie er reist, in einem großen Gefolge. Denn alle Flüche, Gewinsel und Seufzer, die er auf sich lud, folgen ihm nach. Die Frau: Desto besser! […] Der Mann legt sich wieder nieder: Amen! Du hast recht, Frau. Lass sie das Bette nehmen, die Unsterblichkeit können sie mir doch nicht nehmen! Schlaf wohl. Die Frau: […] Gute Nacht! Ach, morgen Abend sagen wir uns die Gute Nacht auf der Erde! 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Sprachreflexion Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verl gs öbv

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