Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 12 Denken und Schreiben von der Renaissance bis heute 148 Renaissance und Humanismus: Unterhalten und Belehren Im Jahr 1452 druckt Johannes Gutenberg die Bibel mit beweglichen Lettern, Einzelbuchstaben, die unabhängig voneinander kombinierbar waren, während vorher Buchseiten nur als Ganzes gesetzt und gedruckt werden konnten. Er steigert damit die Druckgeschwindigkeit von Büchern enorm und wird zum „Erfinder“ des modernen Buchdrucks. 1453 erobert der osmanische Sultan Mehmed II. Konstantinopel, die Hauptstadt des Oströmischen Reiches und prächtigste Stadt des Mittelmeerraums. Viele Gelehrte fliehen und bringen die Schriften der antiken griechischen Denker nach Europa mit. 1492 ent-deckt Kolumbus Amerika. 1517 erschüttert Martin Luthers Reformation die bisherige Einheit der Kirche. Das 15. Jahrhundert ist eine Zeit der großen Veränderungen, die zum Ausgangspunkt eines optimistischen Denkens werden. Der Mensch wird als fähig betrachtet, Bildung und Wissen selbstständig zu erwerben: „O Jahrhundert, o Wissenschaft!“, schreibt im Jahr 1518 in einem Brief der Humanist Ulrich von Hutten, „es ist eine Lust zu leben. Die Studien blühen, die Geister regen sich. Barbarei, nimm dir einen Strick und mach’ dich auf Verbannung gefasst!“ Alte Texte mit aktuellen Fragen SEBASTIAN BRANT: „DAS NARRENSCHIFF“ Die Humanisten glaubten an die Wirkung der Bildung. Ein großer Teil der Literatur dieser Zeit versucht deshalb zwei Ziele zu vereinen: Lese- oder Hörvergnügen zu bereiten und gleichzeitig zu belehren. Besonders beliebt war es, in den literarischen Werken Narren vorzuführen, die mit ihren Narreteien und Lastern den Menschen einen Spiegel für ihre eigenen Fehler vorhalten sollten. Zu diesen Narren gehören zum Beispiel Till Eulenspiegel und die mehr als 100 verschiedenen Narren aus dem „Narrenschiff“ von Sebastian Brant (1458 –1521). Ein Riesenerfolg „Das Narrenschiff“, erstmals gedruckt 1494, ist der größte Bucherfolg der deutschen Literatur vor Goethes fast 300 Jahre später erscheinendem Roman „Die Leiden des jungen Werthers“. Über die Themen des Buches wird sogar von den Kanzeln gepredigt. In der Vorrede zu diesem Bestseller formuliert der Autor das Anliegen des Werks: zu nutz vnd heylsamer ler / vermanung und ervolgung der wysheit / vernunft und guter sytten: Ouch zu verachtung und straff der narheyt / blintheit […] und dorheit […] der menschen“. Textkompetenz Literarische Bildung Maturatextsorte: Kommentar Denken und Schreiben von der Renaissance bis heute Wie sich Sprache und Schreiben im Laufe der Zeit verändern und manche Themen doch immer „aktuell“ bleiben, zeigt dieses Kapitel in einer Reise über sechs Jahrhunderte von der Renaissance über die Epochen Barock, Aufklärung und Sturm und Drang bis heute. h7h3nt SPRACHRAUM 12 Renaissance – Humanismus – Reformationsliteratur Der Begriff Renaissance bezeichnet die literarische und künstlerische Epoche vom 14. bis 16. Jh., die von Italien ausgeht und sich dann auf ganz Europa ausweitet. Der Bezug zur griechisch-römischen Antike als Vorbild für Philosophie, Kunst und Wissenschaft ist das wesentliche Kennzeichen. Der Begriff Humanismus wird verwendet als Bezeichnung für die Literatur der Renaissanceepoche. Kern des Humanismus sind die ‚studia humaniora’: die Pflege der antiken Sprachen und Literaturen. Ziel ist ein autonomer Mensch, der sich von vorgegebenen Gedanken und manchen religiösen Denkverboten unabhängig macht. Im Humanismus liegt auch die Basis für die moderne Naturwissenschaft. Die Reformationsliteratur steht im Dienst der Auseinandersetzung zwischen der neuen reformierten und der „alten“ katholischen Kirche. Reformationsliteratur wie Humanismus nutzen intensiv die neuen Möglichkeiten des Buchdrucks zur Verbreitung ihrer Ideen. Zum ersten Mal wird das Flugblatt als Massenmedium eingesetzt. Luthers Bibelübersetzung von 1522 wird zum Riesenerfolg. Viele wollen sie lesen, wodurch sich die hochdeutsche Sprache dieser Übersetzung weit verbreitet und die Vereinheitlichung der deutschen Schriftsprache gefördert wird. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlag öbv

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