Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

ZWISCHENRAUM 6 Was Namen erzählen 146 Auch viele „ausgestorbene“ Berufe finden ihren Niederschlag in heute noch gebräuchlichen Familiennamen: Maier/ Mayr/Meyer … (Verwalter eines Bauerngutes im Auftrag des Grundherrn), Bader (Betreiber einer Badestube, in der kleine Leiden kuriert und die Zähne gezogen wurden), Lasser (der zur Ader ließ), Helmer , Armbruster , die für die Bewaffnung der Ritter arbeiteten. Meist sind Namen, die eine allgemeine Berufstätigkeit bezeichnen ( Weber , Drechsler , Gerber , Schmied ) verbreiteter als die spezialisierten Berufsnamen ( Leinweber , Schopenhauer – Hersteller von Schöpfkellen –, Weißgerber , Kohlschmied ). Nicht besonders gut schnitten manche Wirte ab mit Namen wie Trübenwein , Sparbier , Fegengast (einer, der den Gast hinauswirft). Zahlreiche wenig angesehene, aber notwendige Berufe wurden mit euphemistischen Umschreibungen gekennzeichnet: Der Abdecker kümmerte sich um die Verwertung der toten Tiere, der Goldgruber um die Abwasserrinnen, der Nonnenmacher kastrierte Schweine, der Henker wurde als Freimann bezeichnet. Zu den eigentlichen Berufsbezeichnungen kommen viele Standes- und Amtsbezeichnungen, wie etwa Amtmann , Schulze , Vogt – beaufsichtigende Beamte –, Eicher , Streicher , Schauer , Kieser – jeweils Prüfer von Gewichten und Maßen, – Keller(mann) – Verwalter von Klostereinkünften –, Zehner (Eintreiber der Zehentsteuer), Zöllner . Namen wie Bischof , Graf , Kaiser , König deuten jedoch nicht unmittelbar auf den Beruf oder Stand des ersten Namensträgers hin, sondern zumeist auf das Dienstverhältnis, in dem er stand. Gerade bei Berufsnamen gibt es viele regionale Unterschiede. So kann der Beruf „Fleischhauer“ je nach Gegend etwa zu den Namen Fleischer , Metzger , Metzler , Fleischmann , Fleischhacker , Kuttler , Sulzer , Schlachter führen. DICKER, SAUER, FRISCH – FAMILIENNAMEN AUS ÜBERNAMEN Geistige und körperliche Merkmale, nicht selten negativ interpretiert und spitzzüngig aufs Korn genommen, waren eine weitere Grundlage für die Familiennamen. Viele Übernamen leiten sich von äußeren Kennzeichen ab: Groß , Dürr , Feist , Kurz , Schön . Andere weisen auf auffällige Körperteile hin ( Haupt , Barth ), andere auf die Haare ( Kraus , Schwarz , Glatz , Vornkahl ) oder auf körperliche Auffälligkeiten: Schiller – ein Mensch, der schielt – Kropf , Hohlbein (O-Beine). Charaktereigenschaften ( Zänker , Grimm , Süß , Wohlmuth , Freud , Schnell , Schnabel – für Geschwätzige –, Mock – Griesgram) wurden ebenso für die Namensgebung verwendet wie Ess- und Trink- und Festgewohnheiten: Schlemmer/ Schlömmer , Nimmervoll , Trinker , Biersack , Tanzer, Kegler , Doppler – Würfelspieler. Tiernamen wurden oft metaphorisch gebraucht: Wolf für einen grimmigen Menschen, Fuchs für einen schlauen, Haas für einen nicht allzu mutigen, Ochs für eine grobe Person. Eine besondere Form der Übernamen sind die Satznamen: Dazu gehören zum Beispiel Hebenstreit – fang wieder mit dem Streiten an – Schlagintweit – schlag entzwei – oder Trinkaus . GLANTSCHNIGG, FARKAS, TSCHUGNALL – „ALTÖSTERREICHISCHE“ NAMEN Die Geschichte Österreichs ist auch die Geschichte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und des jahrhunderte- langen Zusammenlebens vieler verschiedener Völker. So ist die Namenwelt Österreichs reich an slawischen, ungarischen und auch romanischen Namen, die allerdings oft „eingedeutscht“ wurden – auch deshalb, weil man ihre ursprüngliche Bedeutung nicht mehr verstand. Viele dieser Namen liegen auch aus diesem Grund in verschiedenen Schreibweisen vor. Die Entstehung dieser Namen ähnelt den oben angeführten Kategorien. Hier einige Beispiele: Die Ableitung aus Personennamen Das serbische, kroatische und bosnische Filipovic oder Pavlovic entspricht in der Bildung dem tschechischen oder polnischen Adamek und Martinek ; tschechisch Maresch ist eine Koseform zu Martin, Jeschek eine Koseform von Jan (Johann), Miksche ist eine tschechische Kurzform von Nikolaus. Tschugnall gehört zu einer romanischen Form des Namens Jakob, nämlich Giacomellu. Übernamen Tschechisch Komarek bedeutet „kleine Mücke“, ungarisch Farkas „Wolf“, Nagy entspricht dem deutschen Namen „Groß“, tschechisch Nossack heißt der „Großnasige“, Wessely der „Lustige“, Maly der „Kleine“. Berufe Ungarisch Kovacs bedeutet ebenso „Schmied“ wie tschechisch Kovar/Kovarik , das slowenische Koschar bedeutet Korbflechter, tschechisch Krejci/Krejcirik ist der „Schneider“, Sedlacek der Bauer. Molnar ist die ungarische Entsprechung zu Müllner, Szabo bezeichnet den Schneider, slowenisch Smole den Schuster, Kopeinig den, der ein Waldstück gerodet hat. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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