Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

145 Die Herkunft und Bedeutung der Familiennamen Beinamen hingen also von ausgewählten Merkmalen des Namensträgers ab. Allerdings war die Verleihung von Beinamen oft sehr erfinderisch. Wurde zum Beispiel das Merkmal „Beruf Tischler“ als besonders wichtig angesehen, so standen viele Benennungsmöglichkeiten zur Verfügung: Man konnte den Beruf unmittelbar benennen ( Tischer/Tischler/ Tischner , in manchen Regionen Schreiner ) oder auf seine Produkte ( Kastner , Kistler , Kistenmacher , Tischbein ), seine Arbeitsgeräte ( Hobler , Hübler , Höbel ) oder seine Arbeitsmaterialien verweisen ( Holzer , Leimer ). Der Bäcker konnte zum Beispiel Bäcker , Bäck , Beck , Semmler , Kuchler , Fladner , Zeltner , Hausbeck , Bachofen heißen. Einen Jäger konnte man auch einen „Schröckenfuchs“ nennen. So wie für ein Merkmal viele Namen verwendet werden konnte, so konnte andererseits ein Name viele verschiedene Merkmale bezeichnen. Ein Beispiel: Der Beiname Fuchs konnte einen Menschen bezeichnen, der besonders durch Schlauheit oder Gerissenheit auffiel oder rote Haare hatte oder Kürschner war oder gern an Fuchsjagden teilnahm. FRITZ, JUNGHANS, ARNOLD – FAMILIENNAMEN AUS PERSONENNAMEN Viele Familiennamen verweisen auf eine Beziehung des Namensträgers zu einer anderen Person. Sehr oft wird darauf verwiesen, dass jemand „Sohn oder Tochter des …“ ist. So entstanden, vor allem im Norden des deutschen Sprachgebiets, die Namen Karlsson , Petersen , Michelsen oder, mit Genitiv-s, Heinrichs , Friedrichs . Manchmal wurde auch das lateinische Genitiv-i verwendet, wie in Conradi . In Österreich wurden solche Namen meist ohne die Genitivbezeichnungen gebildet. So finden wir bei uns Familiennamen wie Franz , Karl , Heinrich , Friedrich , Albrecht . Allerdings konnten die den Familiennamen zugrundeliegenden Personennamen oft schon verändert sein: Aus Eberhard konnte ein Ebert , aus Arnold ein Arndt geworden sein, aus Leopold ein Polt , aus Friedrich ein Fried , aus Ludwig ein Lutz . Koseformen mit -l bilden gerade in Österreich häufig die Basis von Namen: Friedl , Bertl , Meinl (zu Meinhard ). ÖSTERREICHER, PREUSS, ELSÄSSER – FAMILIENNAMEN AUS HERKUNFTSBEZEICHNUNGEN Die Entstehung dieser Familiennamen hängt eng mit der Entwicklung der Städte zusammen, wo die Bezeichnung der Zugewanderten nach den Herkunftsorten und -gebieten nahelag. Bayer , Böhm , Frank , Schwab , Unger/Hunger (Ungarn), Wiener , Schweizer deuten meist – allerdings nicht immer – auf die Herkunft des ersten Namensträgers hin. So könnte ein Böhm eventuell auch nur eine Reise nach Böhmen unternommen oder Handelsgeschäfte mit Böhmen getätigt haben, ein Römer stammte vermutlich nicht aus Rom, sondern war nach Rom gepilgert. KLAMMER, BERGER, BACHMANN – FAMILIENNAMEN AUS WOHNSTATTBEZEICHNUNGEN Häufig wurden Personen mit landschaftlichen Eigenheiten ihrer Wohnstätte verbunden: Namen gebend waren zum Beispiel flaches Land ( Ebner ), eine Geländekuppe ( Pichler , Bichler , Bühler ), sumpfiges Gelände ( Moser ), Abhänge ( Halder ), Geländevorsprünge ( Ecker/Egger ), Bergformen ( Kofler ), Gewässernähe ( Bacher , Bachmann , Acher – zur alten Bezeichnung „Ache“ für Fluss), Fichtner/Feuchtner , Feichter , Lärchbaumer für charakteristischen Baumbestand, ebenso Lind(n)er , Buch(n)er , oder Tschurtschentaler , der aus einem Gebiet mit vielen Tannen stammt, deren Zapfen im österreichischen Deutsch – vor allen im Tirolerischen – als „Tschurtschen“ bezeichnet werden. Der Brunner wohnt bei einem Brunnen, könnte allerdings auch ein Brunnenwächter gewesen sein. MÜLLER, BAUER, KRÄMER – FAMILIENNAMEN AUS BERUFS- UND STANDESBEZEICHNUNGEN Die im deutschen Sprachraum am häufigsten verwendeten Familiennamen gehen auf Berufs- und Standes- bezeichnungen zurück. Sie spiegeln die im Mittelalter vor allem in den Städten bereits sehr starke Spezialisierung der Berufsgruppen, besonders der Handwerker, und hier wiederum der „Metallberufe“. Die Berufsbezeichnung „Schmied“ ist überhaupt europaweit und darüber hinaus der häufigste Name, wie dies zum Beispiel die Entsprechungen Smith , Lefèvre , Kusnetzov , Hernandez , Ferreiro , Kovacs , Kovarik belegen. Die Frauen bekamen Beinamen, die mit Nachsilben von den männlichen Namensbezeichnungen abgeleitet wurden, und zwar sehr häufig mit -in/inne . So entstehen die „Schmiedin“, die „Neuberin“, die „Kreuzerin“. Bei der Heirat übernahmen die Frauen in der Regel den Beinamen des Ehemannes. So wird die „Schmiedin“ nach ihrer Heirat zum Beispiel zur „Pfeifferin“. Diese weibliche Form der Familiennamen blieb in der Hochsprache bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Diskutieren Sie: Verwenden Sie oder Ihr Bekanntenkreis in Ihrer Mundart oder umgangssprachlich noch die weibliche Form der Familienamen? Wenn ja, in welchem Zusammenhang, mit welcher Absicht? Nur zu Prüfzwecken – Ei entum des Verlag öbv

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