Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

ZWISCHENRAUM 6 Was Namen erzählen 144 Was Namen erzählen Namen sind ein faszinierendes Grundelement der Sprache, und meistens sind wir stolz, sie zu tragen. Aber weshalb heißen wir Schmied, Berger, Fuchs, Schwarz …? Dieser Abschnitt befasst sich mit der Herkunft und Bedeutung unserer Familiennamen – etwa 500 000, so schätzt die Sprach-wissenschaft, gibt es im deutschen Sprachraum. Sie alle erzählen Sprach- und Kulturgeschichte. ZWISCHENRAUM 6 c6s73s Suchen Sie in Ihrem Familien- oder Bekanntenkreis oder unter in der Öffentlichkeit stehenden Personen nach Vornamen und Familiennamen, welche germanische Elemente enthalten. Versuchen Sie diese Namen zu deuten, etwa mithilfe eines der zahlreichen Vornamenslexika (Schul-, Stadt-, Landesbibliothek benützen) oder über das Internet. Erklären Sie die Bedeutung Ihres persönlichen Vornamens. Zunächst gab es nur „einnamige“ Personen Die alten germanischen Stämme kannten noch keine Familiennamen. Bis ins 12. Jahrhundert erscheinen nur „einnamige“ Personen. Zur genaueren Identifizierung wurde zusätzlich meist der Name des Vaters angegeben. Im ersten Epos deutscher Sprache, dem „Hildebrandslied“, aufgezeichnet um 815, kommt es zum tödlichen Kampf zwischen Vater und Sohn. Der Vater Hildebrand wird vorgestellt als Hiltibrant , Heribrantes sunu – Hildebrand, Sohn des Heribrand. Hadubrand, der Sohn, präsentiert sich konsequent mit folgenden Worten: Hiltibrant hætti min fater – Hildebrand heißt mein Vater. Die germanischen Personennamen waren meist zweigliedrig, bestehend aus zwei Nomen oder einem Nomen und einem Adjektiv. Dominierend waren Wörter, die mit Ehre, Tapferkeit, Mut zu tun hatten. Hildebrand setzt sich zusammen aus hilt – Kampf – und brand – Schwert; Hadubrand enthält das Element hadu – Streit, Kampf. Heribrand enthält den Begriff her , der „ausgezeichnet“ bedeutet. Weitere häufige Namensbildungselemente waren adal/al – „edel“ – bert/ brecht – „glänzend“ – hart – „stark“, „kühn“; mar – „berühmt“; mut – „tapfer“; rich – „mächtig“; sig – „siegreich“; trud – „kräftig“. Gerne wurden auch -helm , -gard , -mund , verwendet; alle drei bedeuten „Beschützer“. Häufig verwendet wurde auch -lind – „zur Linde gehörend“, einem für die Germanen besonders wichtigen Baum, da er Freya, der Göttin der Fruchtbarkeit, geweiht war und aus ihm Schilde gefertigt wurden. So entstand eine große Zahl von Kombinationen: Albrecht, Albert, Alfred, Erich, Friedrich, Helmut, Hildegard, Hildegund, Brunhild, Kriemhild, Hiltrud, Gertrud, Sieglinde. Die Kinder erhielten oft einen Namen, der mit dem gleichen Buchstaben wie der Vatername/Muttername begann. So heißen etwa im „Nibelungenlied“ die drei Brüder des burgundischen Königshauses Gunther, Gernot und Giselher, ihr Vater heißt Gibich. Die ersten Familiennamen entstehen im 12. Jahrhundert Im Laufe der Veränderung der Sprache wurden die Bestandteile der germanischen Namen zum Teil nicht mehr in ihrer Bedeutung verstanden und deshalb nicht mehr neu kombiniert. Deshalb konnte die Zahl der Namen nicht mehr erweitert werden. So trugen immer mehr Personen den gleichen Rufnamen. Auch die neuen christlichen Heiligennamen konnten bei der zunehmenden Bevölkerung nicht genügen. Vor allem in den schnell wachsenden mittelalterlichen Städten war eine klare Identifizierung mit nur einem Namen nicht mehr möglich. Dies führte ab dem 12. Jahrhundert zur Entwicklung der zweigliedrigen, aus „Vorname“ und „Familienname“ bestehenden Namensgebung. Vor allem Steuerwesen und Kriegsdienst erforderten eine genauere Kennzeichnung der Menschen. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts besaß jede Person, unabhängig von ihrem sozialen Rang, einen vererblichen Nachnamen. Die ersten „Familiennamen“ sind individuelle Beinamen: Berufsbezeichnungen – Heinrich der „Müller“ –, Wohnstattbezeichnungen – Bernhard „im Moos“ –, Übernamen – Konrad „der Lange“. Diese individuellen Beinamen waren zunächst an den Träger gebunden und verschwanden mit seinem Tod. Im 13. Jahrhundert setzt sich der „Doppelname“ endgültig durch und wird von der Einzelperson, meist dem Mann, auf die Familie übertragen. So entstehen aus den angeführten Beispielen die Familien „Müller“, „Moser“, „Lang“. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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