Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

141 Mündliche Kompetenz Sprachreflexion Die Suche nach den Autoren der ersten großen Epoche der deutschen Literatur, dem „Hochmittelalter“ von 1170 bis 1230, ist oft schwierig: Urkunden befassen sich mit Politik, nur selten mit Dichtung. Selbstzeugnisse aus ihren Werken oder Anspielungen aus den Werken der Autorenkollegen geben uns Auskunft über bedeutende Epiker wie Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg, Wolfram von Eschenbach oder den Lyriker Walther von der Vogelweide. Ihre Sprache ist das Mittelhochdeutsche . Hartmanns „Armer Heinrich“ bringt ein Thema, das auch die modernen Autoren wieder stark beschäftigt: Ein Mensch gibt sich oder Teile von sich her, um anderen das Leben zu ermöglichen. Die Sprache unterliegt ständiger Veränderung : Wörter verschwinden, verändern ihre Form, neue Wörter kommen hinzu, da sich die Welt, auf die sich die Wörter der Sprache beziehen, ebenfalls ändert: Dinge verschwinden, neue kommen hinzu. Überdies ist die „Sprachökonomie“ wirksam: Wir wollen möglichst wenig Mühe für das Sprechen aufwenden. Rouleau wird zu Rollo , der Sovereign zum Souverain und nun zum Souverän . Manchmal verändert sich die Grammatik: Schemata , die Mehrzahl von Schema , wird immer mehr durch Schemen ersetzt; statt der starken Form frug als Präteritum von fragen wird fast nur mehr die schwache Form fragte verwendet. Manche alten Wörter oder Formen überleben in den Mundarten oder in der Sprache einer bestimmten Region länger als anderswo, wie zum Beispiel der fast nur mehr in Österreich und Bayern verwendete Begriff „Erdapfel“ . Das Prinzip „Sprachökonomie“: die gleichen Wörter, aber in vereinfachter Gestalt Dass sich das mittelhochdeutsche Wort „werlde“ im neuhochdeutschen „Welt“ wiederfindet, „herre“ in „Herr“ oder „magetlin“ in „Mädchen“ , lässt sich leicht erkennen. Der Grund für diese Änderungen ist oft die so genannte „Sprachökonomie“. Die Menschen wollen mit den anderen meist möglichst „ökonomisch“, das heißt sparsam und mit dem geringsten Aufwand an Artikulation kommunizieren. Welche Wörter drohen zu verschwinden? Schlagen Sie die „Rote Liste“ bedrohter Wörter nach unter http://www.bedrohte-woerter.de/. Suchen Sie sich für Sie interessante veraltende Wörter aus, berichten Sie in der Klasse über deren Bedeutung. 11.6 Erklären Sie, welche der oben angeführten Werte Ihnen wichtig erscheinen, welche für Sie eher überraschend in dieser Liste aufscheinen und welche Ihnen fehlen. 11.7 Exkurs: „Tugendsysteme“ heute Das Wort Tugend gehört zum Verb taugen und bezeichnet ursprünglich so etwas wie Brauchbarkeit, gute Eigenschaft. Es gibt heute zwar kein mittelalterliches „Tugendsystem“ mehr, aber es gibt natürlich Verhaltensregeln, Umgangs- formen, Werthaltungen, die in einer bestimmten Gesellschaft gelten. Ein berühmtes Buch über zeitgemäße Tugenden publizierte der französische Denker André Comte-Sponville, ins Deutsche übersetzt als „Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben.“ Das Werk wurde ein europäischer Bestseller. Tugenden, die der Autor für unsere Zeit entschieden fordert, sind in dieser Reihenfolge: Höflichkeit, Treue, Klugheit, Mäßigung, Mut, Gerechtigkeit, Großherzigkeit, Mitleid, […] Dankbarkeit, Einfachheit, Toleranz, […] Aufrichtigkeit, Humor. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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