Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 11 Sprache und Texte aus Mittelalter und Moderne 134 Von der Aktualität alter Texte und der Veränderung der Sprache – Hartmann von Aue: „Der arme Heinrich“ Die Welt der Ritter boomt. Wenig bekannt aber ist, dass manche Ritter auch große Dichter waren. Ihre Literatur, die Literatur des Hochmittelalters zwischen 1170 und 1230, bezeichnet man auch als die erste klassische Epoche der deutschsprachigen Dichtung. Und diese in mittelhochdeutscher Sprache – siehe Sprachraum 7 – abgefassten Werke haben viel zu bieten: Texte voll „Action“, menschlicher Probleme, extremer Gefühle, Liebesgedichte. Aber es gibt auch Texte, die uns heutige Leserinnen und Leser einerseits vielleicht zu heftigem Widerspruch anregen, andererseits plötzlich von Neuem aktuell sind. Oft ergibt sich auch eine geradezu „kriminalistische“ Suche nach Autoren und Handschriften. Auch die Veränderung unserer Sprache im Laufe der Zeit wird sichtbar. Dieses Kapitel verfolgt diese Aspekte anhand der Analyse von Hartmann von Aues Text „Der arme Heinrich“ und anhand der „Mittelalter-Kontexte“, in denen Sie die Informationen und Fragen finden, die sich aus Hartmanns Text beispielhaft für die gesamte „alte“ Literatur ergeben. Auf der Suche nach Hartmann – eine detektivische Spurensicherung 1. ETAPPE: WER IST HARTMANN VON AUE? Sie suchen Auskünfte über Geburtsjahr, Geburtsort, Herkunft, Familie, Ausbildung, Lebenslauf, Entstehungszeit der Werke von Johann Wolfgang Goethe, Peter Handke, Elfriede Jelinek? Kein Problem! Sehr wenig aber wissen wir im Gegensatz dazu über die großen mittelalterlichen Dichter, wie zum Beispiel Gottfried von Straßburg, Wolfram von Eschenbach, Hartmann von Aue. Die Namen der drei bedeutendsten Epiker des Mittelalters nennt keine einzige Urkunde. Um Auskünfte zu erhalten, sind wir angewiesen auf Selbstaussagen in ihren eigenen Werken und auf die Kommentare von Dichterkollegen in deren Texten. Was Hartmann von Aue anlangt, haben wir verhältnismäßig „viele“ Angaben: In allen seinen epischen Werken, wie zum Beispiel „Erec“ und „Iwein“, nennt Hartmann stolz seinen Namen und gibt Hinweise auf seine Person, am deutlichsten zu Beginn des „Armen Heinrich“, verfasst um 1190, den Sie hier unten finden. Sie können sich den Beginn – so wie den Gesamttext – auch vorlesen lassen unter http://sagemaere.libsyn.com/der –arme–heinrich. Sollten Sie den Text selbst lesen, so gilt es einige Regeln zu beachten: Die mit einem ^ versehenen Vokale und die Umlaute ae, oe und iu (= u) werden lang gesprochen, alle anderen Vokale kurz. Die Buchstabenfolgen ie , üe und uo werden als Zwielaute – wie in der Mundart – ausgesprochen: „Des is aber liab. Des is guot.“ Das h ist kein Dehnungszeichen, sondern wird als solches gesprochen; vor s und t spricht man es als ch : „naht“ = „Nacht“ . Literarische Bildung Maturatextsorten: Leserbrief, Kommentar, Erörterung Sprache und Texte aus Mittelalter und Moderne Welche aktuellen Themen ein 800 Jahre alter Text zur Sprache bringen kann und wie spannend die Suche nach Fakten zu mittelalterlichen Autoren ist, zeigt Ihnen dieses Kapitel. i9676v SPRACHRAUM 11 Der Beginn des „Armen Heinrich“ Ein ritter sô gelêret was, daz er an den buochen las, swaz er dar an geschriben vant: der was Hartman genant, dienstman was er ze Ouwe. Er nam in manige schouwe An mislîchen buochen. Es lebte einmal ein Ritter, der so gebildet war, dass er alles lesen konnte, was er in den Büchern geschrieben fand. Er hieß Hartmann und war Lehensmann in Aue. Er las viel in mancherlei Büchern. 2 4 6 8 10 12 14 N u r zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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