Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

117 Textkompetenz Literarische Bildung Schriftliche Kompetenz Heinz Kahlau Radfahren Lieben ist wie Radfahren. Man sieht dabei gut aus, wenn es so mühelos geht. Viele machen den Eindruck, als ob es ganz leicht sei. Von einem gewissen Alter an kann man das einfach – sonst grinsen die andern und spotten. Aber die Angst, auf die Nase zu fallen, schlecht auszusehen und ungeschickt, ausgelacht zu werden und abgewiesen, sich schämen zu müssen und traurig dazustehn. Lieben ist viel schwerer als Radfahren. Radfahren kann man allein, Lieben niemals. Da ist man immer Tandem. Aber gelernt muss es doch werden. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Friederike Mayröcker Kindersommer Erträumter einsamer blauer Engel in meinem Herzen läutet ein heller Regen in meinen Händen blühen die Glockenblumen Salbeiblüten wehen mich an die Perlenkette der Tränen gleitet an den liegenden Schläfen nieder immer ist Nachmittag immer bin ich über einer Brücke von Staub mein Birnbaum wirft Scherben ab leise flötet der Schatten mein Fusz ist warm und nackt an der Erde drüben im dunklen Bereich der Schaukel geigt die Angst die Stuben sind dumpf und vertraut über den feuchten Schwellen blühen Schwertlilien auf Abend lila und leicht Abend durch vergessene Fenster Abend ich musz mein heiszes hüstelndes Kranksein in hohen Kissen verbergen Nacht ich lasse Akazienblätter treiben ich liebe den Wind die rauschenden runden Weiden führen irgendwohin eine Mohnblume wartet auf mich 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Rose Ausländer Spätsommer Die Farben der Anemonen werden bleich Mach dir nichts vor es geht zu Ende Unsichtbare Raubtiere schleichen um deine Lebenslust Angst durchbohrt deinen Sommertraum Bald blühen Eisblumen Erfinde ein Apfellied 2 4 6 8 10 Joachim Ringelnatz Sommerfrische Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß, Das durch den sonnigen Himmel schreitet. Und schmücke den Hut,der dich begleitet, Mit einem grünen Reis 1 . Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser. Weil’s wohltut, weil’s frommt 2 . Und bist du ein Mundharmonikabläser Und hast eine bei dir,dann spiel,was dir kommt. Und lass deine Melodien lenken Von dem freigegebenen Wolkengezupf. Vergiss dich. Es soll dein Denken Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf. 1 Reis: Tannenzweig 2 frommt: guttut 2 4 6 8 10 12 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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