Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 9 Die Lyrik – und die Empfehlung 112 Schriftliche Kompetenz Literarische Bildung Textkompetenz Nicht jedes Gedicht braucht große Anlässe oder provoziert große Erschütterungen – und ist doch „lesenswert“ Ab der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts entstehen Gedichte, die dunkle Bedeutungen und schwierige Interpretationen ablehnen, bewusst auf einfache Wortwahl und die Beobachtung des Alltags setzen und sich auch der Mundart und dem Dialekt öffnen. Die Dichter formulieren das so: „Weg vom Symbol, weg von […] Dekor, Schminke und Parfüm.“ Solche Gedichte entstehen oft aus Zufälligem und Belanglosem, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen. DER WIENER DICHTER GERHARD RÜHM (*1930) LIEST ZEITUNG 1. Die Vorlage – Eine Zeitungsmeldung Süße Versuchung – Die anglikanische Kirche in England will abtrünnig gewordenen Kirchenmitgliedern die Rückkehr mit Schokoriegeln versüßen. In 160 Gotteshäusern der Region Manchester wurde am Sonntag ein Versuch gestartet, der bei Erfolg auf das ganze Land ausgeweitet werden soll. 3500 „Wundertüten“ mit der Aufschrift „Missing You“ wurden zum Schluss der Gottesdienste vergeben. Die Ergebnisse des Versuchs, der von einem reichen Geschäftsmann und einer Supermarktkette gefördert wird, werden wissenschaftlich analysiert. 2. Rühms Gedicht DIE TIROLER AUTORIN C. H. HUBER (* 1945) BESUCHT EINEN ALLTAGSORT wie sie dann tanzen diese textilen tentakel sich verrenken im zärtlichen pas de deux und in orgien zu mehrt wie weich sie dann streifen über lack und glas verbliebenen nass zu trocken blech zu entlassen glänzend am ende des schaum feuchten weges 2 4 6 8 10 12 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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