Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

103 Schriftliche Kompetenz Textkompetenz Literarische Bildung Epische Texte beschreiben Als Basis für die Beschreibung epischer Texte dient das Wissen um deren Grundelemente, wie Textsorte, Erzählzeit/ erzählte Zeit, Erzählperspektiven. In vier „ Schritten zur Textbeschreibung “ kann jeder epische Text beschrieben werden:„Lesen und einordnen“, „Über den Text in Erfahrung bringen“, „Aus dem Text herauslesen“, „In den Text hineinlesen“. Diese Schritte ergeben auch einen möglichen Aufbau für Ihre Beschreibung und Textdeutung. Um Ihre Beschreibung für die Leserinnen und Leser interessant und nachvollziehbar zu machen, sollten Sie Ihre Analyse mit Zitaten aus dem Text – der Primärliteratur – oder aus Werken über den Text/über die Autorin oder den Autor – der Sekundärliteratur – belegen. Wie ein Autor Spannung erweckt Wollen Autorinnen/Autoren eine spannende Geschichte erzählen, so kommen sie meist nicht ohne Heldinnen/Helden aus, die das Interesse des Lesepublikums erwecken sollen. Oft werden diese Hauptfiguren zu Erzählbeginn präsentiert. So geht auch Doderer vor, der aus dem Zeitungsexzerpt eine Erzählung macht: Léon Pujot, ehemals Maschinenführer auf Arbeitslo- komotiven bei Eisenbahnbauten, war nun seit einigen Jahren schon Taxichauffeur in Nancy; mit eigenem Wagen. Er machte auch Fahrten […] bis Reims oder nach Paris. Letzteres besonders mit einem Stammkun- den, der ihn während der warmen Jahreszeit monat- lich zweimal in Anspruch nahm, ein Fabrikant, der hinüberfuhr und einige Tage blieb, aus geschäftlichen und wohl auch aus anderen Gründen. Bevor Léon mit dem leeren Wagen nach Nancy zurückkehrte, trachtete er – einen zahlenden Fahrgast zu bekommen, wird man meinen, und auch Pujot selbst mochte sich wohl eingestehen, dass dies das Richtige gewesen wäre. Je- doch er fuhr jedes Mal in die Rue de Vaugirard, blieb vor einem bestimmten Hause stehen und gab ein be- stimmtes Hupsignal, worauf – wenn es gutging – in einem bestimmten Fenster ein Mädchenkopf sichtbar wurde – „gleich, gleich komme ich!“ –, und etwas spä- ter hüpfte Fräulein Lupart auf den Sitz neben ihm, und sie fuhren mit stürmendem Motor gegen die östlichen Vorstädte hinaus und über die Stadtgrenze, bis Häuser, Schuppen und Geleise ganz aufgelöst zurückblieben und alsbald der Flusslauf der Marne sichtbar ward. […] An diese Rückfahrt dachte Léon immer schon auf der Tour von Nancy in die Hauptstadt. Denn es war leider keineswegs so ausgemacht und sicher, dass am nächsten Morgen, wenn er in der Rue de Vaugirard seine Hupe erklingen ließ, auf jeden Fall jener Kopf in jenem Fenster auftauchen würde, ja, und wenn auch – manchmal musste er gleichwohl ohne sie zurückfah- ren, allein, da ihm dann obendrein sein Missmut gar keine Geduld mehr ließ, sich noch einen Fahrgast zu suchen. Adèle zeigte nicht selten bedauerlich wenig Verlangen danach, ihre Eltern in Nancy zu besuchen und so von Pujots Gefälligkeit gegen die Alten Ge- brauch zu machen, der ihnen das Küken gratis aus Pa- ris brachte […]. Fräulein Lupart hatte oft dringend zu studieren, und vor dem vielen Wissen, das die Sorbon- ne von einer Studentin verlangte, mussten sie wohl Re- spekt haben, die Eltern ebenso wie Léon. Dieser knat- terte dann bekümmert ab. Der Rückweg gähnte in solchen Fällen von Leere. Pujot kam sich stets etwas belämmert vor. Wenn ihr so wenig daran lag, mit ihm zu fahren, nun dann –! Freilich, sie hatte wohl Freunde unter den Studenten, vielleicht sogar einen Geliebten, was konnte man denn schon wissen ... Und er, Pujot, war nur ein Chauffeur, wenn auch einer mit eigenem Wagen. Und es gab außerdem auch dort in Nancy ei- nen gewissen jungen Herrn, der es nicht gerne zu se- hen schien, wenn Adèle mit Pujots Wagen kam, Léon hatte dies schon beobachtet. Nun, ach ja, hol’s der Teu- fel. […]. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 Erläutern Sie mündlich, welche zusätzlichen Informationen im Vergleich mit dem Zeitungsexzerpt Doderer gibt, um Pujot den Leserinnen und Lesern vorzustellen. 8.5 Aus einem Thema und Textkern Elemente einer Erzählung gestalten Widmen Sie sich in Gruppen jeweils einem der folgenden Abschnitte: ƒƒ Arbeiten Sie den Höhepunkt heraus: Pujots Sprung auf den Zug, die Verlangsamung der Geschwindigkeit. ƒƒ Beschreiben Sie die Reaktion der Menschen in der Station, in welcher der Zug zum Stehen kommt. ƒƒ Beschreiben Sie den Moment, als Pujot sein zertrümmertes Auto sieht. ƒƒ Berichten Sie über die Ehrung beim Staatspräsidenten. 8.6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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