Sprachräume 2, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

101 Schriftliche Kompetenz Textkompetenz Literarische Bildung Struktur des Textes bestimmen: Welche Aufbauelemente (Absätze, Einleitung, Spannungsaufbau, Verzögerungen der Handlung, Schluss) lassen sich erkennen? Sprache/Stil: Welche Stilmittel (Metaphern, Ellipsen ...) werden verwendet? Ist die Sprache besonders kreativ, originell oder eher Alltagssprache? Gibt es Auffälligkeiten im Satzbau, auffällige Wortwahl, einen absichtlich einfachen/komplizierten, modernen/altertümlichen Stil? Schritt 4: „In den Text hineinlesen“ Mögliche Deutungen, Auslegungen formulieren. Persönlicher Eindruck: eigene, vom Text angeregte Vorstellungen, Gefühle, Erinnerungen formulieren. Eine Textbeschreibung interessanter und nachvollziehbar gestalten Das Zitat Um den Leserinnen/Lesern die Chance zu geben, aufgestellte Behauptungen zu überprüfen, auch wenn sie den Text nicht kennen, ist es sinnvoll, Stellen, auf die man seine Analysen stützt, manchmal direkt als Zitate anzuführen. Folgendes ist dabei zu beachten: Zitate sollten nicht zu lang sein, sie müssen inhaltlich und stilistisch in die Arbeit gut integriert sein, sie dürfen den Text nicht verändern. Eigene Hinzufügungen sind mit [ ] und Auslassungen mit […] zu kennzeichnen. Eigentümlichkeiten von Schreibweise oder Druck (fett, kursiv …) sind beizubehalten. Die Quellenangabe Fügt man in seinen eigenen Text Informationen ein, die von anderen stammen, so ist die Quelle anzugeben. Sonst macht man sich nämlich eines Plagiats schuldig, das heißt, man gibt das geistige Eigentum anderer fälschlich als sein eigenes aus – eine wissenschaftliche „Todsünde“. Bei Internetquellen gibt man überdies das Datum des letzten Aufrufs an: [Quelle: http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/WohmannGabriele ; abgerufen am 4. 5. 2016]. In diesem Fall wurde die Quelle direkt in den Text eingefügt. Man könnte das eingefügte Zitat auch mit einer Fußnote versehen und die Quelle mit dieser Fußnote am Textende anführen. Primär- und Sekundärliteratur „Primärliteratur“ ist z. B. der Text der Autorin/des Autors, den sie gerade lesen oder deuten sollen. Als „Sekundärliteratur“ bezeichnet man Texte über die Autorin/den Autor, das Werk, die Epoche oder andere wissenschaftliche Themen. Vom Beschreiben zum kreativen Selberschreiben VORSCHLAG 1: H. C. ARTMANN: „FLEISS UND INDUSTRIE“ Als H. C. Artmann (1921– 2000) starb, fehlte es nicht an Nachrufen. Eines hatten diese Nachrufe gemeinsam: H. C. Artmann sei der „letzte wirkliche und eigentliche Poet“ Österreichs gewesen. Tatsächlich zeichnet sich die Dichtung Artmanns aus durch das witzige Spiel mit der Sprache, das Zerstören von Erwartungen der Leserinnen/Leser, die Vorliebe für inhaltliche und sprachliche Überraschungen und nicht zuletzt konsequente Kleinschreibung. Artmann bezeichnete sich selbst als „Kuppler und Zuhälter von Worten“. Zwei Texte aus dem Band „Fleiß und Industrie“ machen Sie mit dem Schreiben Artmanns bekannt. Sie bieten ein ironisches Panorama verschiedener Berufe, wie zum Beispiel die gute Köchin, den Tarockkartenerzeuger, Pfarrer und Pfarrerin, den Bürstenbinder, Ulrich, den munteren Metzger oder die Abenteuer eines Weichenstellers sowie Lehrer und Schulwart. Abenteuer eines Weichenstellers 1. Die verantwortung eines weichenstellers der Union Pacific Ges. ist eine große, ihm obliegt die sorge um mensch und vieh, aber auch sachschaden hat er tun- lichst zu vermeiden. 2. Der weichensteller besitzt ein buch, in dem er immer liest, 10 jahre besitzt er dieses buch, aber er beginnt nach seite 77 jedesmal wieder von vorne, weiter würde er es nie lesen, er hat da so eine vorahnung. Blödsinn, murmelt er, und beginnt trotzdem wieder bei seite 1. 3. Die meiste zeit aber raucht er seine geliebte pfeife, er hat keine frau, er sieht den ersten stern am abendhim- mel aufglänzen, er geht in das intime grün der brenn- nesseln hinter dem haus austreten, er ist sonst ein frühaufsteher und trinkt nach dem essen ein bier. 4. Der letzte zug kommt stets um 21 Uhr 35 durch, er sieht den letzten waggon in der ferne verschwinden, der bremser hat ihm zugewinkt, er ist seit jahren sein freund, obgleich er noch nie mit ihm gesprochen hat. 5. Das buch des weichenstellers ist ein alter penny- shocker¹ mit dem titel Der Mann vom Union Pacific Express. Heute beschließt er, den roman bis ans ende zu lesen, doch es schwant ihm nichts gutes. 6. Einmal stand ein fremder bremser auf der hinteren plattform des letzten waggons; ob er ein aushelfer war? 7. Gegen 23 uhr wird der weichensteller durch einen ungewöhnlichen lichtschein aufmerksam, er geht vor das haus und sieht einen zug anrollen, der in keinem fahrplan verzeichnet steht, er rollt vollkommen lautlos an ihm vorbei, auf der plattform des letzten wag gons 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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