Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

VORRAUM Einladung zum Lesen 6 Einladung zum Lesen Lesen muss nicht immer „bilden“, „einen Zweck“ haben oder „zum Analysieren“ dienen. Lesen kann und soll nicht zuletzt als Vergnügen, als Freude und spannende Erfahrung erlebt werden. Argumente für „bloß“ vergnügliches Lesen und zwei Bücher, die dazu einladen, werden Ihnen hier vorgestellt. VORRAUM Das Verb „lesen“ duldet keinen Imperativ. Eine Abnei- gung, die es mit ein paar anderen teilt: dem Verb „lie- ben“, dem Verb „träumen“ … Man kann es natürlich trotzdem versuchen. Probieren Sie es mal: „Liebe Nichts als Gegenleistung zu verlangen. Absolut nichts. […] Nicht die kleinste Hausaufgabe zu geben. Den ge- lesenen Seiten kein einziges Wort hinzuzufügen. Kein mich!“ „Träume!“ „Lies! Jetzt lies doch, zum Teufel, ich befehle dir zu lesen!“ „Geh in dein Zimmer und lies!“ Ergebnis? Null. Werturteil, keine Worterklärung, keine Textanalyse. […] Neugier kann man nicht erzwingen, man weckt sie. 2 4 2 6 4 6 Das Verb „lesen“ duldet keine Befehlsform Sie kennen die Arbeitsanweisungen aus Deutschbüchern: Diskutieren Sie …! Analysieren Sie …! Schreiben Sie …! Fassen Sie zusammen …! Gemeint ist immer die Beschäftigung mit ganz bestimmten, mehr oder weniger langen, abgeschlossenen Arbeitsaufträgen. Aber ist es empfehlenswert, jemandem, den man zum Lesen anregen will, zu befehlen: „Lies!“? Der französische Schriftsteller Daniel Pennac meint, das sei nicht sinnvoll: Aus welchen Gründen man (Lese-)Einladungen annimmt Wenn wir Einladungen annehmen, so haben wir unsere Gründe dafür. „Lustig wird’s werden, der/die … ist auch dort, endlich eine kleine Feier zum Abschluss …“. Nicht jeder kommt aus den gleichen Gründen. Auch für das Annehmen der Einladung zum Lesen gibt es laut Pennac viele Gründe, ohne Zweifel auch einen für Sie: Zum Lesen anzuregen, das geht nach Meinung Pennacs am besten so: ƒƒ Um zu lernen. ƒƒ Um unser Studium zu schaffen. ƒƒ Um uns zu informieren. ƒƒ Um zu erfahren, woher man kommt. ƒƒ Um zu erfahren, wer man ist. ƒƒ Um die anderen besser kennen zu lernen. ƒƒ Um zu wissen, wohin man geht. ƒƒ Um die Erinnerung an die Vergangenheit zu bewahren. ƒƒ Um unsere Gegenwart begreifbar zu machen. ƒƒ Um die Dummheiten unserer Vorfahren nicht zu wiederholen. ƒƒ Um Zeit zu gewinnen. ƒƒ Um zu entfliehen. ƒƒ Um einen Sinn im Leben zu finden. ƒƒ Um die Grundlagen unserer Zivilisation zu verstehen. ƒƒ Um unsere Neugier anzuregen. ƒƒ Um uns zu zerstreuen. ƒƒ Um zu kommunizieren. ƒƒ Um unsere Kritikfähigkeit zu schulen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=