Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

55 Die Reportage Eine Reportage ist ein Bericht direkt vom Ort eines meist außergewöhnlichen Geschehens (Katastrophen, politische Großereignisse, Demonstrationen, kriegerische Auseinandersetzungen). Sie enthält vielfältige Gestaltungselemente (Interviews, Statements, Stellungnahmen von Akteuren, Augenzeugen oder Betroffenen) und fast immer Fotos. Geschildert werden nicht nur Fakten, sondern auch Gefühle und Eindrücke der Reporterinnen bzw. Reporter. Das Interview Journalisten bzw. Journalistinnen unterscheiden Interviews nach drei Kategorien: ƒƒ das Sachinterview, in dem von den Befragten Fakten und Informationen vermittelt werden, ƒƒ das Meinungsinterview, in welchem nach den Ansichten der Interviewpartner gefragt wird, ƒƒ das „Interview zur Person“, bei dem die Gesprächspartner als Persönlichkeit im Mittelpunkt stehen. Der Charakter eines Interviews wird stark von der Fragetechnik bestimmt: ƒƒ Offene Fragen („warum, wie, wann ...“) lassen den Gesprächspartnern viele Antwortmöglichkeiten. Sie haben den Zweck, den Redefluss in Gang zu halten. ƒƒ Geschlossene Fragen (Ja/Nein-Fragen, Wissensfragen – „Kennen Sie diese Aussagen dieser Studie?“) sollen den Interviewpartner / die Interviewpartnerin zu klaren Stellungnahmen herausfordern. Das Wesentliche von Nachrichten und Berichten erfassen Markieren Sie die Schlüsselwörter in der Nachricht von Seite 54. Kürzen Sie den Bericht auf eine ca. 100 Wörter umfassende Nachricht. 5.2 a b Das Wesen eines Interviews erkennen Gestalten Sie – mündlich – als „zufällig“ am Diebstahlort vorbeikommende(r) Reporter(in) eines Lokalblattes ein kurzes Interview mit dem bestohlenen Skitouristen aus dem oben stehenden Bericht. Bauen Sie dabei Elemente aus allen drei Interviewkategorien und Frageformen ein. 5.3 MEINUNGSBETONTE DARSTELLUNGSFORMEN Der Kommentar Kommentare sind grafisch meist durch einen Rahmen und einen bestimmten Reihentitel („Aufwecker“, „Polituren“, „Denkzettel“) hervorgehoben. Sie bewerten einen Sachverhalt und zeigen oft ungewöhnliche Perspektiven eines Geschehens. Der Kommentar ist bewusst subjektiv und wertend und bezieht sich manchmal auf einen Bericht in derselben Ausgabe der Zeitung. Er beginnt meist mit einem direkten Einstieg, bietet eine Anzahl von Argumenten und zieht daraus eine zum Denken anregende Schlussfolgerung. Ein Kommentar ist mit Namen und manchmal mit einem Foto des Verfassers/der Verfasserin versehen. Er will nicht manipulieren, sondern zu eigener Meinung anregen. Sibylle Hamann „Quergeschrieben“; „Die Presse“, 19. 10. 2016 Schmiert einer, der „Kopfschuss!“ postet, danach die Jausenbrote? Es sind ganz normale Menschen, die ö¡entlich Gewalttaten gutheißen und dafür Applaus bekommen. […] Es reicht ein Zeitungsbericht über einen Selbstmordversuch, bei dem sich ein Mann erst auf die Straßenbahnschienen gelegt und dann versucht hat, in die Oberleitung zu greifen. Das ge¥el vielen Tausend Fans auf Facebook […]. „Fang- schuss und gut ist“, sagt Manfred K. „Der soll sich auf mein Auto hauen, dem brich ich alle Knochen“, sagt Patrick. […] „A gstreckte linke in de pappn, dem saugfrast, und aufge- hängt bei de füss“, sagt Constanze H. „VOIGASS!!“, sagt Mi- chael. […] Man liest sich also durch Hunderte derartige Ein- träge. Und dann versucht man, es sich konkret vorzustellen: Was ist das für ein Mensch, der so etwas schreibt? Ob Man- fred seinen Kindern in der Früh Jausenbrote geschmiert hat, ehe er sich an den Laptop gesetzt hat? […] Malt sich Michael eigentlich imDetail aus, wasmit einemKörper passiert, wenn er von der Straßenbahn zerquetscht wird? […] Gut möglich, dass Michael im Alltag ein feiner Kerl ist […]. Und dennoch tun all diese Menschen ö¡entlich, stolz kund, wie gern sie einem anderen Gewalt […] antun würden. Nein, ich kann und will mir nicht vorstellen, dass sie alle wirklich Ernst machen, wenn der Zufall sie in die passende Situation bringt. Ich denke mir: Sie haben in diesemMoment nicht lang überlegt. […] Hätten sie Gelegenheit, mit dem Menschen, den sie töten wollen, persönlich ein paar Sätze zu wechseln, würden sie zurückschrecken. Ich ho¡e, es ist so. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. E-Mails an: debatte@diepresse.com 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Mediale Bildung Textkompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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