Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 4 Zusammenfassung 50 Schriftliche Kompetenz Textkompetenz Kompetenztest 4 Hauptkompetenz und Teilkompetenz Textkompetenz: wichtige und unwichtige Informationen unterscheiden Weitere geforderte Kompetenzen Schriftliche Kompetenz Methodisch-didaktische Hinweise Einzelarbeit Hilfsmittel keine Zeitbedarf 5 – 20 Minuten Welche Fragen lassen sich an Zusammenfassungen stellen? Nennen Sie die drei Fragen und erläutern Sie sie kurz. KT 1 Lesen Sie den folgenden Text von Ilse Aichinger. Kreuzen Sie an, welche der Informationen in einer Zusammenfassung enthalten sein müssen, welche dagegen verzichtbar sind. KT 3 Nennen Sie die drei Intentionen, aus denen heraus Zusammenfassungen geschrieben werden. KT 2 Ilse Aichinger: Das Fenster-‚eater Die Frau lehnte am Fenster und sah hinüber. Der Wind trieb in leichten Stößen vom Fluss herauf und brachte nichts Neues. Die Frau hatte den starren Blick neugie- riger Leute, die unersättlich sind. Es hatte ihr noch nie- mand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niederge- fahren zu werden. Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten. Der Lärm rauschte nur mehr leicht herauf. Alles lag zu tief unten. Als sie sich eben vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie, dass der Alte gegenüber Licht angedreht hatte. Da es noch ganz hell war, blieb dieses Licht für sich und machte den merkwürdigen Eindruck, den au¶am- mende Straßenlaternen unter der Sonne machen. Als hätte einer an seinen Fenstern die Kerzen angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche verlassen hat. Die Frau blieb am Fenster. Der Alte ö—nete und nickte herüber. Meint er mich?, dachte die Frau. Die Wohnung über ihr stand leer, und unterhalb lag eine Werkstatt, die um diese Zeit schon geschlossen war. Sie bewegte leicht den Kopf. Der Alte nickte wieder. Er gri— sich an die Stirne, entdeckte, dass er keinen Hut auf hatte, und verschwand im In- nern des Zimmers. Gleich darauf kam er in Hut und Mantel wieder. Er zog den Hut und lächelte. Dann nahm er ein weißes Tuch aus der Tasche und begann zu winken. Erst leicht und dann immer eifriger. Er hing über die Brüstung, dass man Angst bekam, er würde vornüberfallen. Die Frau trat einen Schritt zu- rück, aber das schien ihn nur zu bestärken. Er ließ das Tuch fallen, löste seinen Schal vom Hals – einen gro- ßen bunten Schal – und ließ ihn aus dem Fenster we- hen. Dazu lächelte er. Und als sie noch einen weiteren Schritt zurücktrat, warf er den Hut mit einer heŠigen Bewegung ab und wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf. Dann kreuzte er die Arme über der Brust und verneigte sich. SooŠ er aufsah, kni— er das linke Auge zu, als herrsche zwischen ihnen ein gehei- mes Einverständnis. Das bereitete ihr so lange Vergnügen, bis sie plötzlich nur mehr seine Beine in dünnen, geµickten Samtho- sen in die LuŠ ragen sah. Er stand auf dem Kopf. Als sein Gesicht gerötet, erhitzt und freundlich wieder auŠauchte, hatte sie schon die Polizei verständigt. Und während er, in ein Leintuch gehüllt, abwechselnd an beiden Fenstern erschien, unterschied sie schon drei Gassen weiter über dem Geklingel der Straßen- bahnen und dem gedämpŠen Lärm der Stadt das Hu- pen des Überfallautos. Denn ihre Erklärung hatte nicht sehr klar und ihre Stimme erregt geklungen. Der alte Mann lachte jetzt, so dass sich sein Gesicht in tiefe Falten legte, streiŠe dann mit einer vagen Gebärde darüber, wurde ernst, schien das Lachen eine Sekunde lang in der hohlen Hand zu halten und warf es dann hinüber. Erst als der Wagen schon um die Ecke bog, gelang es der Frau, sich von seinem Anblick loszurei- ßen. Sie kam atemlos unten an. Eine Menschenmenge hatte sich um den Polizeiwagen gesammelt. Die Polizisten waren abgesprungen, und die Menge kam hinter ih- nen und der Frau her. Sobald man die Leute zu ver- scheuchen suchte, erklärten sie einstimmig, in diesem Hause zu wohnen. Einige davon kamen bis zum letz- ten Stock mit. Von den Stufen beobachteten sie, wie die Männer, nachdem ihr Klopfen vergeblich blieb und die Glocke allem Anschein nach nicht funktio- nierte, die Tür aušrachen. Sie arbeiteten schnell und mit einer Sicherheit, von der jeder Einbrecher lernen konnte. Auch in dem Vorraum, dessen Fenster auf den Hof sahen, zögerten sie nicht eine Sekunde. Zwei von 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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