Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 4 Zusammenfassung 48 Schriftliche Kompetenz Textkompetenz permanente Neujustierungen 1 erfordern, zumal in einer GesellschaŠ wie der unseren alles ständig im Wandel ist und alte Gewohnheiten damit zuneh- mend brüchig werden. Man kann auch schärfer for- mulieren und sagen: Die ZukunŠ der Jugend wird auf „den Ruinen des bisher Selbstverständlichen“ (Hei- ner Keupp) gebaut. Und sie wird dabei auf jeden Fall von drei zentralen Entwicklungen geprägt sein: ers- tens von der (Finanzierungs-)Krise des modernen Wohlfahrtsstaates – aus Sicht der Jugendlichen geht es hier um zentrale Fragen wie beispielsweise „Lässt sich das staatliche Pensionssystem auch für die nach- rückenden Generationen garantieren?“ –, zweitens vomStrukturwandel der Arbeitswelt, imZuge dessen die Zahl der arbeitsrechtlich klar geregelten, langfris- tig sicheren und auch angemessen bezahlten Jobs schwindet, und drittens natürlich von der Wirt- schaŠs-, Finanzmarkt- und Euro-Krisendebatte, die seit 2008mediales Dauerthema ist und eine gute Por- tion Unsicherheit in unser aller Leben bringt. Im 21. Jahrhundert angekommen, stellen wir fest, dass Wachstums- und Fortschrittsideologien, die die zweite HälŠe des 20. Jahrhunderts beherrschten, nicht länger tragfähig sind. Seit den spätenNullerjah- ren hat eine Abfolge von ökonomischen Krisenszena- rien in breiten Bevölkerungsschichten zu Verunsi- cherung geführt. Der gesellschaftliche Wandel schreitet zügig voran, im Zuge gesellschaŠlicher In- dividualisierungsprozesse vervielfältigen und di—e- renzieren sich die Probleme aus – zu den Problemen, die wir von früher kennen, kommen ständig neue hinzu. Wer hätte im späten 20. Jahrhundert etwa ge- dacht, dass in den frühen 2010er-Jahren deregulierte Finanzmärkte nicht nur zum großen «ema der Po- litik, sondern vielmehr auch zum großen Ärgernis der breitenMehrheit der BürgerInnenwerdenwürde. Vieles, was in unserer globalisierten Welt passiert, lässt sich auf nationaler Ebene nicht mehr so einfach lösen. VieleMenschen haben angesichts der jüngeren Entwicklungen den Eindruck, die GesellschaŠ zerfal- le mehr und mehr in eine Gruppe von GewinnerIn- nen und eine von VerliererInnen, die soziale Stufen- leiter werde glitschiger und die KluŠ zwischen Arm und Reich größer. Auch Jugendliche emp¬nden das so. Die vierte österreichische Jugend-Wertestudie zeigt, dass 70 Prozent der jungen ÖsterreicherInnen im Alter von 14 bis 29 Jahren meinen, in Österreich würden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Immerhin 55 Prozent der jungen Ös- terreicherInnen sagen: „InÖsterreich werden immer mehr Menschen an den Rand gedrängt“ (Jugend- Wertestudie 2011). In diesem Szenario zeigen Jugendliche ein zwiespäl- tiges Verhältnis zur ZukunŠ: Wenn sie an ihre per- sönliche ZukunŠ denken, sind sie großteils positiv gestimmt, die gesellschaŠliche ZukunŠ sehen sie hingegen eher trist. Ihre persönlichen Lebensper- spektiven entwickeln sie durchwegs nahe am Alltag. Sie sind zwar in so manchem verunsichert, anstatt ihre Verunsicherung auf der großen ö—entlichen Bühne zum «ema zu machen, zieht sich die breite Mehrheit aber in die kleinen sozialen Welten zurück und igelt sich, soweit möglich, in privater Harmonie ein. Fragt man Jugendliche, was ihnen besonders wichtig ist, kommt als Antwort: ein harmonisches Familienleben, gute und verlässliche FreundInnen, genügend Freizeit, um dem stressig empfundenen Ausbildungs- und Berufsalltag zu entµiehen, und später dann einmal einen Job ¬nden, der einen geho- benen Lebensstandard ermöglicht oder zumindest Existenzsicherheit bietet. Von der Idee langfristiger ZukunŠsplanung hat sich die heutige Jugend weitgehend verabschiedet. Fragt man nach dem Warum, sagen Jugendliche: „Ganz einfach, weil sich heute nicht mehr wirklich auf lange Sicht planen lässt.“ Und damit haben sie wohl recht. Die breite Mehrheit konzentriert sich also lieber auf Ziele, die sich in einem Zeitrahmen von zwei bis drei Jahren erreichen lassen. Karriere- wie auch Familien- planung stellen die meisten vorerst hintan. Die unsichere WirtschaŠslage und ein tiefgreifender Strukturwandel der Arbeitswelt, der vom Normalar- beitsplatz wegführt, erschweren es heute, sich eine stabile Existenzgrundlage aufzubauen. Die Arbeits- welt, in die die heutige Jugend einsteigt, ist mit der der Elterngeneration kaummehr vergleichbar: atypi- sche BeschäŠigung, befristete Arbeitsverträge und Berufsbiographien, in denen Phasen der Arbeitslo- sigkeit zunehmend normal werden, liegen im Trend. Der Zwang zu beruµicher Mobilität steigt. Und Er- werbsbiographienmit langfristig sicherer Vollzeitbe- schäŠigung bei ein- und demselben Arbeitgeber wer- den rar. Das macht jungen Menschen durchaus ein wenig Angst. Viele, die noch in Ausbildung sind, machen sich über ihren Berufseinstieg und die wei- tere beruµiche ZukunŠ Gedanken. Etliche haben Sorge, einen „guten“ Job zu¬nden. Und dennoch ha- ben Jugendliche und junge Erwachsene den An- spruch, in eine sichere beruµiche ZukunŠ gehen zu können. 1 Anpassungen 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 Verfassen Sie ein Exzerpt zum Text „Jugend und Zukunft – ein Klassiker der öffentlichen Jugenddebatte“ und redigieren Sie anschließend die Exzerpte in Schreibkonferenzen. 4.10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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