Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

155 Literarische Bildung Text 1: Sappho (7. Jh. v. Chr.) Scheinen will mir, dass er den Göttern gleich ist, jener Mann, der neben dir sitzt, dir nahe auf den süßen Klang deiner Stimme lauscht und, wie du voll Liebreiz ihm entgegenlachst: doch in meiner Brust hat dies die Ruhe geraubt dem Herzen. Wenn ich dich erblicke, geschieht’s mit einmal, dass ich verstumme. Denn bewegungslos liegt die Zunge, feines Feuer hat im Nu meine Haut durchrieselt, mit den Augen sehe ich nichts, ein Dröhnen braust in den Ohren, und der Schweiß bricht aus, mich befällt ein Zittern aller Glieder, bleicher als dürre Gräser bin ich, bald schon gleich einer Toten komme ich vor mir selber Aber alles muss ich ertragen 2 4 6 8 10 12 14 16 Text 2: Catull (1. Jh. v. Chr.) Lass uns, Lesbia, leben und uns lieben Und der grämlichen Alten Reden alle Eines P…Ÿerlings gerade wert erachten! Wohl wird Sonne gehen und wiederkehren können; Doch wenn uns erst das kurze Licht vergangen, Dann ist eine ewige Nacht zu schlafen. Küsse gib mir drum tausend, dann noch hundert, Dann noch tausend, und dann noch einmal hundert, Dann aufs neue noch tausend, dann noch hundert; Dann, wenn wir es zu vielen tausend brachten, Dann verzählen wir uns, damit wir’s vergessen Und kein Böser aus Neid uns Unheil anwünscht, Weil er weiß, dass es so viel Küsse waren. 2 4 6 8 10 12 Grundlegende Motive der Literatur kennen lernen Recherchieren Sie in Gruppenarbeit, welche Probleme Odysseus mit/bei den Lotophagen, Kyklopen, Lästrygonen, Skylla und Charybdis begegnen und wie er sie löst. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse mündlich in der Klasse. 13.11 Texte über die Liebe Fragen zur Entstehung des Menschen, Rache, Verrat, Mord, Krieg, vergebliche Warnungen, List und Hinterlist … all das sind Themen und Situationen, denen sich die Menschheit gegenübersieht und die von den Mythen in Bilder und Metaphern gekleidet werden. Natürlich ist seit der Antike auch eine weitere menschliche Grundsituation Thema der Literatur, nämlich die Liebe. Sappho (2. Hälfte des 7. Jh. bis 1. Hälfte d. 6. Jh. v. Chr.) ist die bedeutendste Lyrikerin der Antike. Ihr Leben ist nur in späteren, legendenhaften, nicht gesicherten Überlieferungen aufgezeichnet. In ihrer Heimatstadt Mytilene auf der Insel Lesbos sammelte sie einen Kreis vornehmer Mädchen um sich, die sie in Musik, Tanz, Poesie unterrichtete und mit denen sie bei Festen auftrat. Ihre Lieder, in denen sie die Schönheit ihrer Schülerinnen und ihre Freude an ihnen besingt, gaben in der römischen Antike Anlass, sie auf die Liebe Sapphos zu Frauen zu beziehen, obwohl man von einer Ich-Aussage in einem Gedicht nicht gleich auf die Autorin/den Autor selbst schließen darf. Da es ungewöhnlich war, dass in der Antike Frauen dichteten, konnte Sappho selbst oft negativ bewertet werden, weil sie sich „unerlaubt“ in eine Männerdomäne gewagt habe. Bedeutende Personen, wie der griechische Philosoph Platon, der Sappho als „Zehnte Muse“ bezeichnete, oder die römischen Dichter Horaz und Catull schätzten ihre Dichtung jedoch sehr. Im hier angeführten Gedicht verlässt vermutlich ein Mädchen gerade Sapphos Kreis, um zu heiraten. Das Gedicht ist, so wie die meisten Gedichte Sapphos, nur unvollständig überliefert. Catull , ein römischer Dichter im 1. Jhdt. v. Chr., ist vor allem für seine Liebeslieder bekannt, in denen er eine Frau verehrt, der er den Namen „Lesbia“ gibt, um sein dichterisches Vorbild Sappho auszuzeichnen, aber vielleicht auch, um zu verbergen, dass das Gedicht an Clodia, die Ehefrau eines römischen Konsuls gerichtet ist. Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.) erzählt in seinen „Metamorphosen“ Verwandlungsgeschichten, in denen Menschen oder niedere Götter in Tiere, Steine, Sternbilder oder Naturerscheinungen verwandelt werden. Meist geschieht dies aufgrund einer Untat der Betreffenden oder aus problematischer Liebe. Text 3: Ovid: Aus den Metamorphosen: Echo und Narcissus (um 5. n. Chr.) Damals war Echo noch Leib, nicht Stimme nur, doch sprechen konnte sie nur die letzten Worte von Sätzen, die andre gesprochen. Dies hatte Iuno bewirkt, weil Echo einst, als die Göttin 2 4 Mündliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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