Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 13 Die Antike 152 Textkompetenz mit der Zerstörung Trojas endete. Der Meeresgott Poseidon, der auf der Seite Trojas gestanden war, verwehrte Odysseus jedoch eine schnelle Heimfahrt. Zehn Jahre irrte er auf dem Meer umher. Auf der Insel der Phäaken erzählte er von seinen unfreiwilligen Fahrten. Von den Phäaken mit einem Schiff ausgestattet, gelangte Odysseus zurück nach Ithaka. Dort tötete er zusammen mit Telemach die Freier, die Penelope heiraten und sich der Herrschaft bemächtigen wollten. Der Mythos vom Fall Trojas wird Ihnen hier präsentiert in der Version von Michael Köhlmeier. Und wie endet Troja? – Merkwürdigerweise erfahren wir das weder aus der Ilias noch aus der Odyssee. Wir erfahren es von einem anderen, viel späteren Schri™- steller, wir erfahren es von dem Römer Vergil, aus sei- ner Aeneis. Aeneas, der sich mit wenigen aus dem brennenden Troja retten konnte, erzählt später, wie Troja unterging. Es war eine Auslöschung. Nicht Odysseus war es übrigens, der das trojanische Pferd er- funden hatte, wie immer wieder behauptet wird, son- dern es war ein trojanischer Seher namens Helenos, ein Sohn des Priamos. Er hatte dem Odysseus geweis- sagt, wie Troja untergehen würde. Er hatte im Traum ein großes Pferd gesehen, in dessen Bauch die Vernich- tung lauerte. Odysseus hat das pragmatisch interpre- tiert, er ließ ein riesiges hölzernes Pferd bauen, darin versteckte er die Krieger. Die Griechen stellten das Pferd vor der Stadt Troja auf und zogen mit ihren SchiŸen ab, so dass der Eindruck entstehen musste, sie hätten aufgegeben und als ein kriegerisch-freund- scha™liches Abschiedsgeschenk dieses Pferd zurückge- lassen. Kassandra, die Seherin, die verƒucht war, alles Unglück zu sehen, aber gleichzeitig keinen Glauben zu ernten, warnte vor diesem Pferd. Sie sagte: „Holt es nicht in die Stadt! Es wird uns vernichten!” Aber die Trojaner lachten sie aus, sagten: „Ein Pferd aus Holz soll uns vernichten? Die griechische Flotte konnte uns in zehn Jahren nicht vernichten, da soll es dieses Riesenspielzeug können?” Sie zogen das Pferd in die Stadt. In der Nacht, als alle schliefen, sagte ihnen ein trojanischer Verräter Bescheid, eine Luke im Bauch des Pferdes wurde geöŸnet, die Krieger stiegen heraus, schlichen sich an die Tore von Troja, öŸneten die Tore. Draußen wartete das griechische Heer. Die Soldaten marschierten in die Stadt und metzelten alles nieder, was lebendig war. Sie verschonten weder Frauen noch Kinder noch alte Männer, sie töteten die Hunde und die Katzen, die hübschen Vögel in den hübschen Kä…gen, das Vieh, alles. Frauen, die hübsch genug waren, den griechischen Soldaten als Dirnen und Sklavinnen zu dienen, blieben am Leben. Sie wur- den aufgeteilt. Agamemnon nahm sich Kassandra […] Die Griechen plünderten die Stadt. Sie sprengten die letzten Hausreste und so verließen sie nach zehn Jah- ren das vorher blühende Troja, fuhren zurück, nach Hause, nach Griechenland. Fuhren zurück in ihre Städte, wo ihre Frauen sich entweder schon andere Männer genommen hatten oder wo sie, wie Agamem- non, von ihren Frauen erschlagen wurden. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 Das Trojanische Pferd in der Realität Die Forschung ist uneins, was das Trojanische Pferd in der Realität des Krieges tatsächlich war. Manche meinen, die Griechen hätten Troja mithilfe eines Holzturmes erstürmt, der mit nassen Pferdehäuten überzogen war als Schutz gegen Feuerpfeile und der durch eine Schwachstelle der Mauer ins Innere Trojas geschoben worden sei. Andere Meinungen sind etwa, dass Troja durch einen Angriff berittener Truppen fiel oder die Griechen, um ihren Rückzug vorzutäuschen, sich hinter dem nahen Berg Hippios („vom Pferd“) versteckt hätten. Im Text dargestellte Personen(gruppen) beschreiben Beschreiben Sie die Rolle, die Helenos, Odysseus und Kassandra spielen, und das Verhalten der Trojaner. Welches Schicksal wird den Heerführer Agamemnon treffen? 13.6 Text 2: Kassandras Ende: Agamemnon, seine Frau Klytaimnestra und Aigisthos Als Agamemnon Klytaimnestra zum ersten Mal sah, es war bei einem königlichen Empfang, saß sie im¨ron- saal neben ihrem Mann und hielt ihr Knäblein im Arm. Agamemnon wollte sie haben. Sofort, auf der Stelle wollte er sie haben. Vor allen Anwesenden zog er das Schwert, schlug Klytaimnestra das Kind aus dem Arm, schlug es in zwei Teile und metzelte ihren Mann nieder. Nicht genug: In diesem Blutbad über den Lei- chen derer, die ihr Leben bedeutet hatten, vergewaltig- te Agamemnon Klytaimnestra. Es lässt sich wohl den- ken, dass Klytaimnestra dieses Vieh niemals geliebt hat. Und bei allem, was weiter geschehen wird, sind wir versucht, dieser Frau einen Freibrief auszustellen, um so mehr, als sie in den Erzählungen so wenig Ge- rechtigkeit erfährt. […] Klytaimnestra gebar Agamem- non die Kinder Iphigenie, Elektra und Orest. Als dann der Trojanische Krieg begann und das Heer sich in Aulis sammelte, vertrieb sich Agamemnon die Zeit mit Jagen. Und erlegte eine heilige Hirschkuh. Arte- mis, die Göttin der Jagd, war darüber zornig und be- 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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