Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 11 Die Dramatik 130 1° (Mike, sein Vater Hermann, der Gendarm Günther treffen aufeinander) MIKE: Oh, Besuch von der Obrigkeit! Hermann erkennt seinen Sohn Mike, Günther erkennt ihn auch. GÜNTHER: I wer wahnsinnig! Du bist des?! […] HERMANN: (geht zu Mike) Also was habts ihr mitgehn lassen? Mike antwortet nicht, Hermann gibt ihm plötzlich eine Ohrfeige, Mike schaut kalt zurück. […] 2° (Hermann und Mikes Freundin Nina) HERMANN: (zu Mike) Weißt du, was des für mi bedeutet hat, dass du auf und davon bist? Weißt du des? Mein ganzes Ansehn war dahin! Meine Autorität als Exekutivbeamter! Die Leut haben mi ausglacht, hinter mein Rücken! Der Postenkommandant is nicht einmal fähig, seinen eigenen Buam an die Kandare zu nehmen! Was des braucht hat, dass die Leut wieder an Respekt kriegt ham vor mir! Aber aufgräumt hab i, des kannst ma glauben! Solche Typen wie du, solche ham jetzt koa Chance mehr bei uns! Unser Dorf is gesäubert! Gesäubert! Verstehst? Nina nimmt Haltung an, schlägt die Hacken zusammen, streckt den Arm zum Hitlergruß aus. NINA: Jawohl! Gesäubert! Sieg Heil! HERMANN: Halts Maul, du Pie‘e-Hur! […] 3° (Hermanns „Dialog“ mit seinem Sohn) HERMANN: Du muaßt mi um Verzeihung bitten, Michi! MIKE: Nie! Mike reißt sich los, Hermann zieht seine Pistole, richtet sie auf Mike. GÜNTHER: He, was tuast denn? Mike schaut zu Hermann, sieht die Pistole, wendet sich wieder ab […] . Hermann geht zu ihm, setzt ihm die Pistole an den Hinterkopf, Mike dreht sich um, steht langsam auf, schaut seinen Vater an. […] HERMANN: Sag: »Verzeih mir, Papa!« Dann is alles in Ordnung! Mike steht starr, antwortet nicht, Hermann hält die Pistole vor seine Stirn. HERMANN: »Verzeih mir, Papa!« MIKE: (leise) Verzeih mir, Papa! HERMANN: »Papa, i mag di so!« MIKE: Papa, i mag di so! HERMANN: »Papa, i möcht so sein wie du!« Mike sagt nichts, Hermann setzt ihm die Pistole an die Stirn. […] HERMANN: »Papa, i möcht so sein wie du!« MIKE: Papa, i möcht so sein wie du! Hermann lässt die Pistole sinken, umarmt Mike, streicht ihm über den Kopf, Mike lässt es mit versteinertem Gesicht geschehen. HERMANN: I mag di a, Michi. Es wird schon wieder werden. Wir kommen scho wieder zsamm. Bist ja mein Sohn. Hermann wendet sich langsam ab, steckt die Pistole ein, setzt sich mit abwesendem, verstörtem Gesicht irgendwo auf die Seite. (Rutscht dann später auf den Boden und schlä„ ein, seine Mütze fällt ihm herunter.) […] Mike schaut seinem Vater nach, hat Mitleid mit ihm, hasst und liebt ihn zugleich […] . 4° (Der Monolog von Mikes Mutter Hilde) Hilde […] sieht Mike, stürzt zu ihm hin, kniet sich nieder, umarmt ihn weinend, zieht ihn hoch. […] HILDE: Mein Gott, Michi! Mein Gott, Michi! Dass du nur wieder da bist! Ach du! (Küsst ihn.) Mein Gott, du! Du weißt ja gar nicht, was ich mitgemacht hab, seit du weg bist. Furchtbar! Furchtbar, sag ich dir! Es war einfach schrecklich! Dein Brief! Entsetzlich! Ich bin sofort zusammengebrochen. Nervenzusammenbruch! Frag deinen Großvater! Entsetzlich! Er hat geglaubt, er muss mich in die Psychiatrie bringen. Weinkrämpfe, Kreislaufstörungen, Kopfschmerzen, entsetzliche Kopfschmerzen! Wochenlang hab ich mein Zimmer nicht verlassen können. Immer die Vorhänge zu! Fieber! Fieberanfälle! Ich hab nach dir gerufen. Mein liebster Michi! Mein liebster Michi! Immer wieder. Frag deinen Großvater! Er ist nächtelang an meinem Bett gesessen! Spritzen! Immer wieder Spritzen! Schlafmittel! Ich konnte kein Auge zutun! Immer Deinen Brief vor Augen! Immer musste ich ihn lesen! Wieder und wieder! Diesen schrecklichen Brief! Noch nie hab ich einen so schrecklichen Brief gelesen. So voller Vorwürfe! So voller sinnloser Vorwürfe! Auch gegen mich! Warum denn gegen mich? Warum 2 4 2 4 6 8 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 2 4 6 8 10 Textkompetenz Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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