Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

125 Neue Theaterformen im 20. Jahrhundert EPISCHES THEATER Zweieinhalb Jahrtausende dominierte das in Griechenland entstandene „aristotelische Theater“, das im Publikum Gefühle wie Furcht und Mitleid wecken wollte. Im 20. Jahrhundert glauben manche Autoren nicht mehr daran, dass das Theater über Emotionen das Verhalten beeinflussen könne. Bert Brecht (1898 –1956) meint, dass die Emotionen des Publikums nach dem Theaterbesuch bald vorbei seien. Brecht will das Publikum zum Mitdenken anregen, der Verstand sollte das Gefühl ersetzen. Zu diesem Zweck setzt Brecht in seinem „epischen Theater“ auf „Verfremdung“. Das Publikum soll sich immer bewusst sein, dass das Vorgeführte ein Spiel ist und nicht die Wirklichkeit. In der Regieanweisung zu einem seiner Stücke empfiehlt Brecht zum Beispiel, im Zuschauerraum Plakate mit Sprüchen wie ‚Glotzt nicht so romantisch’ aufzuhängen. Unterscheiden Sie zwischen Tragödie und Komödie! Ordnen Sie Sophokles’ Drama „König Ödipus“ und das Drama „Lysistrata“ von Aristophanes (445 – 385) jeweils den Begriffen Tragödie beziehungsweise Komödie zu. 11.2 Sprachreflexion Literarische Bildung DIE TRAGÖDIE Die ersten tragischen Autoren der griechischen Antike sind Aischylos (524 – 456 v. Chr.), Sophokles (496 – 405), Euripides (480/85 – 406). Kennzeichnend für die Tragödie ist der unlösbare Konflikt, in dem sich die Hauptfigur befindet. Ihr Scheitern ist unausweichlich. Die Tragödie zeigt, wie chancenlos der Mensch ist, dem ihm vorbestimmten Schicksal zu entgehen. Der Zweck der Tragödie ist die Katharsis der Zuschauer, die Reinigung von ihren Leidenschaften. In den Zuschauern soll die Furcht erweckt werden, dasselbe Schicksal zu erleiden, das den Personen auf der Bühne widerfährt. Dies fordert der Philosoph Aristoteles in seiner „Poetik“, dem ersten Werk des Abendlandes, das sich mit den Dichtungsgattungen befasst. DIE KOMÖDIE Auch in der Komödie geht es um menschliche Probleme und Unzulänglichkeiten. Aber in der Regel gibt es ein glückliches Ende. Das Lachen entsteht durch eine übertriebene Darstellung der menschlichen Schwächen. Die Komödie dient nicht nur zur Belustigung des Publikums, sondern übt auch Kritik an menschlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Auch Lachen hat reinigende Funktion. „König Ödipus“: Ödipus rettet Theben vor der Sphinx, einem mordenden Ungeheuer, indem er ihr Rätsel löst: „Welches Wesen ist das? Es ist am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig. Wenn es die meisten Füße bewegt, ist seine Schnelligkeit am geringsten.“ Ödipus’ Antwort: „Es ist der Mensch.“ Die Sphinx stürzt sich in den Abgrund. Ödipus wird König von Theben, hat zuvor unwissentlich seinen Vater erschlagen, zeugt mit dessen Witwe, der Königin Iokaste, vier Kinder, ohne zu wissen, dass sie seine Mutter ist. Als die Wahrheit ans Tageslicht kommt, erhängt sich Iokaste, Ödipus sticht sich die Augen aus. Seine Schlusssätze: „Lysistrata“: Athen und Sparta führen bereits 20 Jahre Krieg gegeneinander. Während die Männer Heldenruhm erwerben, bleibt den Frauen nur das Leiden. So verbünden sich die Frauen Athens und Spartas, um den Frieden zu erzwingen. Sie besetzen unter Führung der Titelheldin Lysistrata die Akropolis und verweigern sich fortan ihren Männern. Nach einigen Gefährdungen des Frauenprojekts „Frieden“ führt der Liebesentzug tatsächlich zum Erfolg. Der Krieg wird beendet, ein fröhliches Fest gefeiert. Der Chor der Athener singt das Schlusslied: Bürger meines Landes eben! Schaut, dies hier ist Ödipus. Der das Wunderrätsel wusste, und der erste Mann im Land. Den kein Bürger sehen konnte ohne Neid auf solches Glück. Bis wie tief zum Grund des Elends furchtbar stürzte er hinab. Wenn ein Sterblicher noch jenem letzten Tag entgegenblickt, hütet euch, sein Los zu preisen, eh er nicht gewonnen hat seines Lebens Ziel und Ende ohne Schmerz und ohne Leid. Da stellt euch her: zu jedem Weib ein Mann, Zu jedem Mann ein Weib! – Zum Dank den Göttern lasst, froh des Glücks, uns tanzen! […] Tanzet den Reigen […], rufet die Götter all’, dass sie uns Zeugen sei’n. Allala! Io! Springt in die Lü•e, Triumph! Lustig, wie Sieger: Triumph! Juhe! 2 4 6 8 2 4 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=