Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 10 Die Lyrik 118 Lyrische Texte – die Gedichte – sind formal oft gekennzeichnet durch Strophen , Verse , Reim und einen festen Rhythmus . Moderne Gedichte verzichten allerdings oft auf diese Kennzeichen. Inhaltlich bringen Gedichte oft die subjektiven Gedanken und Gefühle der Autoren/Autorinnen in „verdichteter“ Gestalt zum Ausdruck. Der häufigste Reim ist der Endreim, oft gestaltet als Paar-, Haufen- oder Kreuzreim. Der Rhythmus wird durch die verwendeten Versfüße bestimmt, wie Jambus (xx – „gesund“), Trochäus (xx – „Rinde“), Anapäst (xxx – „Krokodil“), Daktylus (xxx – „Kerzendocht“). Eine beliebte Stilfigur in Gedichten ist die Metapher , die Übertragung eines Begriffs in ein anderes Bedeutungsfeld: „Du bist meine Flamme“. Erste Textbeschreibungen lassen sich nach vier Schritten durchführen: genaues Lesen, etwas über den Text „in Erfahrung bringen“, „etwas aus dem Text herauslesen“, „etwas in den Text hineinlesen“. Literarische Bildung Textkompetenz 2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 2 4 6 8 10 12 14 Ernst Jandl: manchmal hab ich eine solche wut … manchmal hab ich eine solche wut dass es für keinen gut ist bei mir zu sein grad dann bin ich nicht gern allein denn wie bring ich meine wut los das versteht jeder denn jeder hat schon einmal eine wut gehabt und manche haben auch verstanden dass einer mit seiner wut nicht gern allein ist die sind dann rasch weggegangen oder sie sind bei ihm geblieben vielleicht weil sie ihn lieben aber sicher um ihm zu helfen (manche sind dabei draufgegangen) Andrea Sailer: Bequem Es ist bequem Nicht hinzusehn Sich umzudrehn Und wegzugehn Es ist bequem Nur dazustehn Und zuzuschaun Nicht hinzugehn Dann abzudrehn Es ist bequem Vorbeizugehn Und wegzusehn Nicht beizustehn Nicht einzugehn Es ist bequem Bettina Wegner: Cool sein Manchmal sagen mir die Leute man darf sein Gefühl nicht zeigen denn die andern wünschten heute lächelndes Geschwätz und Schweigen Und wer dieses Spiel nicht spielt wird daran zugrunde gehn weil man auf die Schwächen zielt dürfen andre sie nicht sehn „Cool“ ist eins der Lieblingsworte Gut getarnt scheint halb gewonnen Eisgesicht aus der Retorte Produktion hat schon begonnen Wenn man weint, ist man kein Mann Kummer darf nie oen sein weil nicht sein darf, was nicht kann also heule stets allein Lächerlich will ich mich machen dass die Leute endlich merken nur wer weint, kann wirklich lachen nur wer schwach ist, hat auch Stärken Nur, wer seine Trauer zeigt Wut und Angst und Liebe auch wer sein Fühlen nicht verschweigt kriegt dafür auch, was er braucht Wir sind nicht dazu geboren um uns ewig zu verstellen Wirklich sind wir nur verloren wenn wir mit den Hunden bellen Und Enttäuschungen tun not was man gibt, kriegt man zurück wer nicht leiden kann, ist tot nur, wer Trauer kennt, kennt Glück. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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