Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

115 Literarische Bildung Analysieren Sie die Form von Gedichten. Lesen Sie die beiden folgenden Gedichte, wählen Sie eines davon aus und bestimmen Sie möglichst viele formale Eigenheiten des gewählten Gedichts, wie zum Beispiel Reimarten und Versmaß. 10.6 Der Anapäst Die Wörter Paradies, Malerei, Hysterie, Träumerei ergeben das Rhythmusschema tam/tam/ TAM: unbetont – unbetont – betont. Diese Betonungsabfolge nennt man Anapäst (Plural Anapäste): Senkung, Senkung, Hebung: xxx. Der Daktylus Die Begriffe Königin, Kragenbär, Ananas, ausgebucht zeigen das Schema TAM /tam/tam : betont – unbetont – unbetont. Das ist der Daktylus (Mehrzahl Daktylen, betont auf dem y): xxx. Jambus und Anapäst nennt man auch steigende, Daktylus und Trochäus fallende Versfüße. Übrigens ist die Betonung der Begriffe Anapäst und Daktylus identisch mit den Versfüßen, die sie bezeichnen, wodurch man sich beide Begriffe eigentlich leicht merken kann. Das Metrum prägt das Gedicht: „Meeres Stille“ Eines der bekanntesten Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe (1749 –1832) trägt den Titel „Meeres Stille“. Es geht darin um die Stimmung von Seeleuten, für die auf den Segelschiffen der damaligen Zeit eine lang andauernde Windstille über dem Meer mit großen Ängsten verbunden war. Hunger, Wasserknappheit, Krankheiten konnten zur tödlichen Gefahr werden. Dieses Bild bleiern lastender Windstille zeichnet Goethe im bewusst eintönigen Rhythmus seines Gedichtes nach. Dies merken Sie besonders, wenn Sie Goethes Gedicht mit einer rhythmisch willkürlich veränderten Fassung vergleichen: Johann Wolfgang von Goethe: Meeres Stille Tiefe Stille herrscht im Wasser, Ohne Regung ruht das Meer, Und bekümmert sieht der Schier Glatte Fläche ringsumher. Keine Lu’ von keiner Seite! Todesstille fürchterlich! In der ungeheuern Weite Reget keine Welle sich. Das Gedicht mit willkürlich verändertem Rhythmus Tiefe Stille herrschet im Wasser, Ohne Regung ruhet das Meer, Und bekümmert sieht der Matrose Unbewegte Fläche ringsumher. Kein Lu’hauch von keiner Seite! Die Todesstille ist fürchterlich! In der ungeheuerlichen Weite Regt keine Welle sich. Der Rhythmus des Gedichts xx xx xx xx xx xx xx x xx xx xx xx xx xx xx x xx xx xx xx xx xx xx x xx xx xx xx xx xx xx x Christian Morgenstern: Das große Lalulã Kroklokwafzi? Semememi! Seiokronto – prafriplo: Bifzi, bafzi, hulalemi; quasti basti bo ... Hontraruru miromente zasku zes rü rü? Entepente, leiolente klekwapufzi lü? Lalu lalu lalu lalu la! Simarar kos maluipempu silzuzankunkrei (;)! Marjomar dos: Quempu Lempu Siri Suri Sei []! Lalu lalu lalu lalu la! Heinz Erhardt: Die Made Hinter eines Baumes Rinde wohnt die Made mit dem Kinde. Sie ist Witwe, denn der Gatte, den sie hatte, ¥el vom Blatte. Diente so auf diese Weise einer Ameise als Speise. Eines Morgens sprach die Made: „Liebes Kind, ich sehe grade, drüben gibt es frischen Kohl, den ich hol‘. So leb denn wohl. Halt! Noch eins, denk, was geschah, geh nicht aus, denk an Papa!“ Also sprach sie und entwich. — Made junior jedoch schlich hinterdrein, und das war schlecht, denn schon kam ein bunter Specht und verschlang die kleine fade Made ohne Gnade. — Schade. Hinter eines Baumes Rinde ru’ die Made nach dem Kinde. 2 4 6 8 10 12 14 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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