Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

SPRACHRAUM 9 Die Epik 106 Gerhard Roth: Ich bin ein Zuseher auf Fußballplät- zen (1979) Mit neun Jahren stand ich zum erstenmal auf einem Stehplatz. Ich konnte nur einen Teil des Spielfeldes se- hen und verstand nicht, was vor sich ging. […] So sehe ich z. B. von einem Spiel Sturm gegen LASK, von dem ich nicht einmal mehr das Resultat weiß, stets folgende Szene vor mir: Ein Mann mit einem o¡enen Leder- mantel springt über die Barriere, die den Stehplatz vom Spielfeld trennt, läu§ mit wehendem, o¡enem Mantel Franz Innerhofer: Schöne Tage (1974) Arbeiten und das Lernen und Beherrschen von Ar- beitsgängen und der völlige Verzicht auf sich selbst wa- ren das Um und Auf. […] Nur indem Holl gelernt hat- te, in der ärgsten Sommerhitze, Nachmittag für Nach- mittag den übelsten Launen ausgesetzt, barfuß die Erich Hackl: Anprobieren eines Vaters (2004) Was zu erzählen ist von meinem Namensvetter Ferdi- nand Hackl, ist eine Kindheitsgeschichte und fängt an im September sechzehn oder siebzehn, am letzten hei- ßen Tag des Jahres im Bahnhof von Mährisch-Schön- berg. Dort wird ein siebzehnjähriges Mädchen ins Ab- teil geschubst, von seiner Mutter, eventuell auch den Geschwistern, nur der Vater ist vermutlich nicht dabei, Reinhard Kaiser-Mühlecker: Roter Flieder (2012) „Wie der rennt“, sagte die Wirtin vor sich hin und drehte langsam den Kopf. Ihr Blick war aus dem Fens- über das Spielfeld und ohrfeigt den verblü¤en LASK- Torhüter. Wenige Schritte hinter ihm folgten, ebenfalls mit wehenden Mänteln, zwei Polizisten, die jedoch nicht mehr eingreifen konnten. Der Mann wurde na- türlich gefasst und – wie es mir damals vorkam – zu grob abgeführt, da er sich, sobald er ergri¡en war, nicht mehr wehrte. […] [Es] ist gerade jenes letzte Bild, das mich zutiefst erschreckte. Wohin wurde der Mann gebracht? Was hatte man mit ihm vor? schwierigsten Situationen zu meistern oder nicht zu meistern und dann doch zu meistern, war es ihm nun möglich, trotz Arbeit seine Welt mit etwas Licht zu be- schicken. Nur indem er sich bis über die Ohren mit Arbeit überzog, konnte er sich wenigstens bei Tag vor den gröbsten Zugri¡en in Sicherheit bringen. weil er in der Weberei schu§et oder weil er den Bauern beim Rübengraben aushil§ oder einfach nur, weil ihm gar nicht in den Sinn kommt, seiner Tochter Lebewohl zu sagen. Das Mädchen, es heißt Anna Pospischil, fährt zum ersten Mal mit dem Zug, und gleich so weit! Aber eigentlich beginnt die Geschichte schon eine Woche früher in Frankstadt, ein paar Kilometer ab- seits, im Fleischerladen, den Annas Mutter betritt. ter gerichtet. […] Aber es —el der Wirtin nicht auf, dass niemand ihr zuhörte, denn sie redete auch gar nicht mit jemandem – bloß mit sich selbst. 2 4 6 8 2 4 2 4 6 2 10 12 14 16 6 8 10 8 10 12 14 4 Wo sich etwas wie ereignen kann: Ort und Milieu „Das erste Kapitel ist immer die Hauptsache und in dem ersten Kapitel die erste Seite“ , meint Theodor Fontane (1796 –1867), einer der bedeutendsten Romanautoren des 19. Jahrhunderts. Mit den ersten Seiten führen die Autorinnen und Autoren das Lesepublikum aus der realen Welt in die Welt der Romane und Erzählungen ein, stellen den Ort der Handlung vor und verbinden ihn mit den handelnden Personen. Die Schilderung von Landschaften, in denen sich die Handlung vollzieht, die äußeren Umstände (Atmosphäre, Tages- und Jahreszeit, Witterung), welche die Menschen beeinflussen, und das soziale Umfeld, das die Personen prägt, geben erste Hinweise auf das zu erwartende Geschehen. Oft spiegeln diese örtlichen, zeitlichen und sozialen Umstände auch die innere Stimmung, den Charakter und die Handlungsmöglichkeiten der Personen wider. Ort und Milieu epischer Texte Der Ort und das Milieu (das soziale Umfeld der Personen), in dem epische Texte spielen, geben dem Lesepublikum erste Hinweise auf das zu erwartende Geschehen und die handelnden Personen. Ort, Zeit, Milieu epischer Texte analysieren Notieren Sie, am besten in einer Tabelle, was Sie aus den folgenden Erzählanfängen erfahren über Ort/ Landschaft (Stadt, Land, Gebirge …; Enge/Offenheit, Unbestimmtheit/Fremde/Geborgenheit, Helligkeit/ Düsternis), Jahreszeit, Witterung, soziale Umgebung, Personen rund um die Hauptfiguren, Stimmung, Eigenschaften der Hauptfigur. Beschreiben Sie Parallelen und Unterschiede hinsichtlich der berichteten Tatsachen und Beschreibungen! 9.12 a b Textkompetenz Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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