Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

103 DER ROMAN Ursprünglich meint der Begriff „Roman“ alles in den romanischen Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch …) Geschriebene, im Gegensatz zu den (gelehrten) Werken, die auf Latein verfasst wurden. Der moderne Roman, der ab dem 19. Jahrhundert entsteht, zeigt das Schicksal des Einzelnen, seine Entwicklung, seine Erfahrungen in der Welt, seine Fragen nach dem Sinn der Existenz. Romane bilden den „Löwenanteil“ an verkaufter (und gelesener) Literatur überhaupt. Vielfach zeigen schon die Anfangssätze der Romane entscheidende Situationen des Helden. Franz Ka…a: Der Prozess (1914/15) Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Morgens verha§et. Günter Grass: Die Blechtrommel (1959) Zugegeben, ich bin Insasse einer Heil- und P¥egeanstalt, mein P¥eger beobachtet mich, lässt mich kaum aus dem Auge, denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines P¥egers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäugigen, nicht durchschauen kann. Max Frisch: Stiller (1954) Ich bin nicht Stiller! – Tag für Tag, seit meiner Einlieferung in dieses Gefängnis, das noch zu beschreiben sein wird, sage ich es und fordere Whisky, ansonst ich jede weitere Aussage verweigere. Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns (1963) Es war schon dunkel, als ich in Bonn ankam. […] Seitdem Marie weg ist, bin ich manchmal aus dem Rhythmus geraten, habe Hotel und Bahnhof miteinander verwechselt, nervös an der Portierloge nach meiner Fahrkarte gesucht oder den Beamten an der Sperre nach meiner Zimmernummer gefragt, irgend etwas, das Schicksal heißen mag, ließ mir wohl meinen Beruf und meine Situation in Erinnerung bringen. Ich bin ein Clown. Heinrich Böll: Gruppenbild mit Dame (1971) Weibliche Trägerin der Handlung in der ersten Abteilung ist eine Frau von achtundvierzig Jahren, Deutsche; sie ist 1,71 groß, wiegt 68,8 kg (in Hauskleidung), liegt also nur etwa 300–400 Gramm unter dem Idealgewicht. […] Die Frau heißt Leni Pfei¡er, ist eine geborene Gruyten, sie hat zweiunddreißig Jahre lang, mit Unterbrechungen versteht sich, jenem merkwürdigen Prozess unterlegen, den man den Arbeitsprozess nennt: fünf Jahre lang als ungelernte Hilfskra§ im Büro ihres Vaters, siebenundzwanzig Jahre als ungelernte Gärtnereiarbeiterin. […] Man kann wohl sagen, dass es Leni im Augenblick nicht nur in —nanzieller Hinsicht ziemlich dreckig geht, besonders seitdem ihr geliebter Sohn im Gefängnis sitzt. •omas Bernhard: Gehen (1971) Während ich, bevor Karrer verrückt geworden ist, nur am Mittwoch mit Oehler gegangen bin, gehe ich jetzt, nachdem Karrer verrückt geworden ist, auch am Montag mit Oehler. Gernot Wolfgruber: Niemandsland (1978) Irgendwann hatte Klein gemerkt, dass es nichts half, einfach immer wieder davonzurennen. Epen der Weltliteratur erschließen Skizzieren Sie mithilfe von Literaturlexika den Inhalt eines der genannten Epen! 9.7 Den Textbeginn moderner Romane analysieren In welcher seelischen Lage befinden sich die Hauptpersonen, wie geht es ihnen? Was geschieht mit ihnen oder ist mit ihnen geschehen? An welchen eher ungewöhnlichen Orten halten sich einige der Personen auf? Welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den Situationen, in denen sich die Personen befinden? 9.8 Textkompetenz Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des V rlags öbv

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