Sprachräume 1, Deutsch für die AHS-Oberstufe, Schulbuch

101 Das Wesen einer Sage erkennen Lesen Sie die folgende Sage und erschließen Sie aus der Lektüre, was der Begriff „anweilig“ bedeutet! Auf welche geschichtliche Epoche könnte ein „heidnischer“ Turm hinweisen? Welche realen Fakten könnten sich hinter den Aussagen von Zeile 20 – 22 verbergen? Aus welchen Gründen könnte man dem Sattelgreger den Ausspruch „So, Teufel, wenn du Lust hast, komm!“ in den Mund gelegt haben? Stellen Sie Sagen aus Ihrer Region vor, versuchen Sie, deren Hintergründe zu erkunden! 9.3 a b Textkompetenz Literarische Bildung Beim Sattelgreger ist es anweilig Am Hanskogel, gegen Lankowitz zu, liegt einsam hoch am Berg ein altes Bauernhaus, der Sattelgreger. Der Überlieferung nach ist es das älteste Bauernhaus der ganzen Umgebung und soll sogar älter sein als der Markt Maria Lankowitz 1 . Es heißt, das Haus sei in der Nähe der Ruinen eines ehedem heidnischen Turmes errichtet worden. Solche Örtlichkeiten sind aber seit altersher als „anweilig“ verschrien. Obwohl man den Erbauer darauf aufmerksam machte, lachte er nur dazu, begann sein Haus zu errichten und verwendete sogar Steine vom ehemaligen heidnischen Turm dazu. Nachdem das Haus fertig war und er das Dach aufge- setzt hatte, stellte er sich in die o¡ene Tür und rief laut: „So, Teufel, wenn du Lust hast, komm!“ Dies wurde dem Sattelgreger zumVerhängnis. Seit die- ser Zeit spukte es nächtlicherweile ums Haus herum, manchmal sogar imHause selbst. Da war der Sattelgre- ger gezwungen, mit geweihter Kreide drei Kreuze auf die Türschwelle zu malen. Das hielt wohl einige Zeit an, aber bald verscha¤e sich der Teufel einen neuen Eingang und Zutritt und erschien in immer anderer Gestalt. Einmal kam er als harmloser Wanderer, das andere Mal in Gestalt eines Fuchses, der eine Henne um die andere stahl, oder auch als streunender Hund; immer aber trieb er seinen Schabernack. Erst als die Steine von diesem Teufelsbau zerschlagen worden sind, ist es seltener anweilig, aber es ist doch nicht gut, zu nächtlicher Stunde am Haus vorüberzugehen, denn man kann nie wissen, welch seltsame Dinge man er- lebt. An jeder Tür des verrufenen Hauses sind heute noch Spiegel angebracht, um festzustellen, ob nicht etwa der Teufel hinter dem Eintretenden herein- schlüpfen wolle. 1 Katholischer Wallfahrtsort 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 Die Aussage von Fabeln erkennen Fassen Sie die „Moral“ der folgenden Fabel von Aesop (um 600 v. Chr.) zusammen, eventuell sogar mit einem bekannten Sprichwort! 9.4 Ein Fuchs hatte einen Storch zu Gaste gebeten und setzte die leckersten Speisen vor, aber nur auf ganz ¥achen Schüsseln, aus denen der Storch mit seinem langen Schnabel nichts fressen konnte. Gierig fraß der Fuchs alles allein, obgleich er den Storch un- au¦örlich bat, es sich doch schmecken zu lassen. Der Storch fand sich betrogen, blieb aber heiter, lobte außerordentlich die Bewirtung und bat seinen Freund auf den andern Tag zu Gaste. Als der Fuchs nun anderen Tages zum Storche kam, fand er alle möglichen Leckerbissen aufgetischt, aber nur in langhalsigen Geschirren. „Folge meinem Beispie- le“, rief ihm der Storch zu, „tue, als wenn du zu Hause wärest.“ Und er schlür§e mit seinem Schna- bel ebenfalls alles allein, während der Fuchs zu sei- nem größten Ärger nur das Äußere der Geschirre belecken konnte und nur das Riechen hatte. Hung- rig stand er vom Tische auf und gestand zu, dass ihn der Storch hinlänglich gestra§ habe. 12 14 16 18 20 2 4 6 8 10 DIE FABEL Fabeln wollen unterhalten und über menschliche Schwächen und Fehler aufklären, indem Sie diese Verhaltensweisen anhand von Beispielen aus der Tierwelt, seltener aus der Pflanzenwelt vorführen. Sie schließen manchmal mit einer deutlichen Nutzanwendung, der „Moral“. DIE ANEKDOTE Kurz und pointiert bieten Anekdoten „Momentaufnahmen“ aus dem Leben von (manchmal berühmten) Personen: „Aus drei Anekdoten ist es möglich, das Bild eines Menschen zu bestimmen“, meinte der Philosoph Friedrich Nietzsche. Hier zwei Lesebeispiele: Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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