Zeitbilder 8, Schülerbuch

tigste Einrichtung im Staat. Seine rund 3000 Abgeordneten werden alle fünf Jahre indirekt von den Volksvertretungen der Provinzen, aber auch von Vertretern der Volksbefreiungsarmee gewählt. Aufgrund der Größe und der damit verbundenen Schwerfälligkeit des Nationalen Volkskongresses werden die Gesetze in einem kleineren Gremium, dem ständigen Ausschuss, beschlossen. An der Spitze des Staates stehen der Staatspräsident, der Ministerpräsident und die Minister der Zentralregierung. Der Staatspräsident ist gleichzeitig auch Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Damit ist diese Person sowohl Leiter des höchsten Staatsamtes als auch des höchsten Parteiamtes und hat somit die mächtigste Position inne. Bisher war nur eine einmalige Wiederbestellung möglich. 2018 wurde diese verfassungsmäßig festgelegte zeitliche Begrenzung aus der Verfassung gestrichen. Dies stärkt die Position des gegenwärtigen Staatspräsidenten Xi Jinping zusätzlich, schränkt aber die zeitliche Gewaltenteilung maßgeblich ein. Indien: Demokratie nach westlichem Vorbild Das politische System Indiens orientiert sich zum einen an der parlamentarischen Demokratie Großbritanniens. Zum anderen haben auch die 28 Bundesstaaten Indiens ein entsprechendes politisches Gewicht. Aus diesem Grund besteht ein Zweikammernsystem: ein Haus des Volkes/House of the People (Volkskammer, 543 Mitglieder) und ein Rat der Staaten/Council of States (Staatenkammer, 250 Mitglieder). Doch der wichtigste politische Akteur ist die indische Bundesregierung. In ihr besitzt die Premierministerin bzw. der Premierminister vergleichbare politische Macht wie in Großbritannien. Sie bzw. er wird vom Staatsoberhaupt aufgrund der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse bestellt und bestimmt die Ministerinnen und Minister; auch kann sie bzw. er das Parlament vorzeitig auflösen. Das Staatsoberhaupt selbst wird von den beiden Kammern und den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt und besitzt relativ geringe politische Macht. Allerdings hat es die Möglichkeit, auf Anraten der Premierministerin bzw. des Premierministers in die Regierungen der Bundesstaaten einzugreifen, wenn dort politisch instabile Verhältnisse eintreten. Die Abgeordneten der Volkskammer werden – gleich wie in Großbritannien – in Einer-Wahlkreisen alle fünf Jahre gewählt. Die Wahl im Jahr 2014 war aufgrund der großen Zahl der Wahlberechtigten (815 Mio.) auf über einen Monat verteilt. Die Volkskammer tagt zwei- bis dreimal im Jahr. Hindi und Englisch werden als Verhandlungssprachen verwendet. Daneben sind dreizehn weitere Sprachen von Fall zu Fall als Verhandlungssprachen zugelassen. In der Staatenkammer sind die Länder auf Bundesebene vertreten. Die Sitze dort werden nach der Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundesstaates vergeben. Zwölf Abgeordnetensitze sind besonders verdienstvollen Persönlichkeiten vorbehalten, welche das Staatsoberhaupt ernennt. Gesetzesentwürfe sind von der Volkskammer und der Staatenkammer anzunehmen. Doch hat die Volkskammer wesentlich mehr Bedeutung. In der Volkskammer dominierte bis 1996 die von der Nehru-Gandhi-Dynastie dominierte Kongresspartei. Ab 1996 erlangte die Hindu-nationalistische Partei („Bharatiya Janata Party“) zunehmende politische Bedeutung. Sie stellt auch 2019 wieder den Ministerpräsidenten. Entgegen dem Verfassungsgrundsatz der Trennung von Religion und Politik verfolgt die „Bharatiya Janata Party“ die Vorstellung einer „natürlichen“ Vorherrschaft der Hindu-Mehrheit. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite die Kennzeichen präsidialer Regierungsformen heraus. Vergleiche insbesondere die Stellung des Präsidenten in den USA, in Frankreich, in Russland und in China. 2. Erörtere und bewerte die Bedeutung der genannten Formen der Gewaltenteilung für ein (demokratisches) politisches System. 3. Vergleiche die Regierungsformen der beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde: China und Indien. Denke besonders an den „parteibestimmten demokratischen Zentralismus“ in China und an das „Mehrparteiensystem“ in Indien. 4. Vergleiche die Fotos des britischen Unterhauses und des chinesischen Volkskongresses. Untersuche die Sitzordnungen, die Distanzen, die Platzierung der Rednerpulte etc. Notiere deine Eindrücke. 5. Diskutiert eure Ergebnisse aus der Untersuchung der Fotos. Der 2018 wiedergewählte Premierminister Narendra Modi grüßt seine Anhänger während einer Wahlveranstaltung in Bangalore. Foto, 4. 2. 2018. Politische und rechtliche Systeme 69 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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