Zeitbilder 8, Schülerbuch

Repräsentative oder direkte Demokratie Bürgerinnen und Bürger wählen ihre Vertretung, d. h. ihre Repräsentantinnen und Repräsentanten. Diese treffen in den Parlamenten, Landtagen, Gemeinderäten u.Ä. die verbindlichen Entscheidungen. In der direkten Demokratie treffen Bürgerinnen und Bürger wichtige Entscheidungen selbst – z. B. in der Schweiz. Solche direkt-demokratischen Elemente können auch in repräsentativen Demokratien Anwendung finden, z. B. durch Volksbegehren oder Volksabstimmungen. Großbritannien: parlamentarische Tradition Im Zuge der „Glorreichen Revolution“ (1688/89) wurde die Macht des Parlaments und damit des Gesetzes über die Macht des Königs („Krone“) gestellt. Im Parlament wurde das Unterhaus zur dominierenden Kraft. Die Abgeordneten ließen sich im Wesentlichen zwei großen Gruppen zuordnen: den (grundbesitzenden) Tories (Conservatives) und den Whigs (Liberale, städtisches Bürgertum). Die Whigs wurden Anfang des 20. Jh. von den Labours (Abgeordnete der Arbeiterklasse) zurückgedrängt. Diese stellen seither die zweite große Gruppierung im englischen Unterhaus dar. Das Wahlrecht für das Unterhaus wurde – wie in vielen europäischen Ländern – im Laufe des 19. Jh. auf immer mehr Menschen ausgedehnt. Das allgemeine Wahlrecht wurde allerdings erst 1928 eingeführt. Das Wahlsystem ist durch die Mehrheitswahl gekennzeichnet. Abgeordnete bzw. Abgeordneter eines Wahlkreises wird, wer die meisten Stimmen auf sich vereint (Einer-Wahlkreis). Alle anderen Stimmen bleiben demnach bedeutungslos. Kleinere Parteien haben nur in „regionalen Hochburgen“ eine Chance, einen Sitz im Unterhaus zu bekommen. 2018 dominierte in Schottland die bis vor kurzem im Unterhaus in London nur mit wenigen Sitzen vertretene Scottish National Party. Sie strebt eine Unabhängigkeit Schottlands an. Die Machtbefugnisse der Premierministerin bzw. des Premierministers sind besonders weitgehend: Sie oder er bestimmt die Kabinettsmitglieder und gibt die Richtlinien der Politik vor. Die Königin oder der König ist nach wie vor formal das Staatsoberhaupt. Ihr bzw. ihm wird bloß zugestanden, in der jährlichen Thronrede die Erklärung der Premierministerin bzw. des Premierministers zu verlesen und repräsentative Aufgaben zu übernehmen. USA: präsidentielle Regierung In den USA werden sowohl die Präsidentin bzw. der Präsident als auch der Kongress (Parlament) jeweils auf unterschiedliche Weise vom Volk gewählt. Der Kongress (Parlament) besteht aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Die Präsidentschaftswahlen finden alle vier Jahre in zwei Schritten statt: Zunächst wählen die Wahlberechtigten (man muss sich für jede Wahl registrieren lassen) in den einzelnen Bundesstaaten. Wer in einem Bundesstaat die Mehrheit erhält, gewinnt damit alle so genannten Wahlmänner dieses Bundesstaates. Die Zahl der Wahlmänner hängt von der Einwohnerzahl eines Bundesstaates ab. Die Versammlung der Wahlmänner aller Bundesstaaten wählt schließlich den Präsidenten. Der Präsident ist sowohl Regierungschef als auch Staatsoberhaupt der USA. Er kann einmal wiedergewählt werden. Als Staatsoberhaupt hat er politische Entscheidungsmacht. Bei internationalen Verträgen braucht er die Zustimmung des Senats, bei einer Kriegserklärung die Zustimmung des Kongresses. Er kann vom Kongress weder abgewählt werden (außer bei nachweislich strafrechtlichen Vergehen mittels eines Impeachment-Verfahrens), noch kann er den Kongress auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Die bedeutende politische Macht des Kongresses liegt darin, dass er den Gesetzesvorhaben des Präsidenten, vor allem aber dessen Budgetvoranschlag, zustimmen muss oder Abänderungen durchsetzt. Im Senat sind je zwei Abgeordnete eines Bundesstaates vertreten (100 Senatoren – jeweils für sechs Jahre gewählt). Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre nach dem Mehrheitswahlrecht (vgl. Großbritannien) gewählt. Die Zahl der Abgeordneten, die von den einzelnen Bundesstaaten entsandt werden, hängt von der Einwohnerzahl des jeweiligen Bundesstaates ab (2018: 435). Neben dieser horizontalen Gewaltenteilung kennen die USA auch eine vertikale. Die einzelnen Bundesstaaten verfügen über zahlreiche Rechte und besitzen auch ihre eigene Verwaltung. Sie haben z.B. eigene Steuergesetze, unterschiedliche Strafgesetze (z. B. Todesstrafe in einzelnen Bundesstaaten). Zusätzlich zur exekutiven und legislativen Gewalt kommt in den USA dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court) eine erhebliche Bedeutung zu. Der Präsident hat daher großes Interesse, freigewordene Positionen, die auf Lebenszeit vergeben werden, mit Kandidatinnen bzw. Kandidaten seiner Wahl zu besetzen. Der Supreme Court kann Grundlinien der Politik vorgeben. Eine solche Grundsatzentscheidung war z. B. jene gegen die Rassendiskriminierung (1954). Frankreich: geteilte Regierungsgewalt Das politische System Frankreichs ist jenes parlamentarische System in Europa, in dem seit 1958 (Beginn der V. Republik) die Präsidentin oder der Präsident die zentrale Figur darstellt. Das Staatsoberhaupt gibt die Leitlinien der Politik für die Regierung vor; es ernennt den Ministerpräsidenten oder beruft diesen auch ab. Für die Wahl der Abgeordneten zur Nationalversammlung gilt das Mehrheitswahlrecht. Frankreich wurde lange Zeit sehr zentralistisch regiert. In den einzelnen Departements (vergleichbar unseren Bezirken) stand ein Präfekt an der Spitze, der die Anordnungen der Zentralregierung umsetzte. 2016 wurden die Departements zu 13 Regionen (und zusätzlich fünf Regionen betreffend die Überseegebiete) mit eigenen gewählten Regionalräten zusammengefasst. Diese sind gegenüber der Zentralregierung mit für die Region charakteristischen Befugnissen ausgestattet: Sie besitzen keine Gesetzgebungskompetenzen, verteilen aber die Geldmittel an die Departements innerhalb der Region. Politische und rechtliche Systeme 67 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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