Die Inhalte in diesem Abschnitt dienen dazu, Politische Handlungskompetenz zu entwickeln. In demokratischen Gesellschaften ist es wichtig, alleine oder mit anderen für gemeinsame und für die Interessen anderer einzutreten. Nicht immer können einzelne oder Gruppen ihre politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen durchsetzen. Kompromisse einzugehen und diese auch zu akzeptieren, ist daher in einer Demokratie notwendig. Mit Hilfe der Materialien und Arbeitsaufträge auf dieser Doppelseite kannst du Politische Handlungskompetenz trainieren. Unzufriedenheit mit „Brüssel“ Umfragen in den letzten Jahren zeigen, dass manche Menschen der EU mit Skepsis, Kritik oder Ablehnung begegnen. Sie sind der Meinung, die EU handle zu bürokratisch, zu wenig bürgernah. Bei manchen hat sich daher das Gefühl eingestellt, dass „die da in Brüssel alles entscheiden“. Dabei können Unionsbürgerinnen- und -bürger auf unterschiedliche Weise Einfluss auf die EU-Politik ausüben: • Eine wichtige politische Handlung besteht darin, sich an den Parlamentswahlen im eigenen Land zu beteiligen. Die Staats- und Regierungschefin/der Staats- und Regierungschef des Landes ist schließlich Mitglied im Europäischen Rat. Auch die Ministerinnen und Minister dieser Regierungen treffen Entscheidungen im Rat. • Alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger können die EU-Politik mitbestimmen, indem sie an den Wahlen zum EU-Parlament teilnehmen. Die so gewählten Vertreterinnen und Vertreter arbeiten in Fraktionen mit Mitgliedern aus anderen Ländern zusammen. • Im Bemühen um mehr Bürgernähe hat die EU das Online-Tool „Ihre Meinung zählt“ eingerichtet. Damit sollen laut EU „Ansichten von außen“ über geplante politische Maßnahmen und Gesetze eingeholt werden. Wer sich auf dieser Plattform registriert, kann online über bestehende Initiativen mitdiskutieren und Rückmeldungen und Informationen über den politischen Prozess bekommen. • Fast täglich finden zu angekündigten Terminen in Städten innerhalb der EU Bürgerdialoge statt: Politikerinnen und Politiker stellen ihre Ziele vor und treten in einen Dialog mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern. • Die Unterschriften von einer Million Bürgerinnen und Bürger oder 0,2 Prozent der EU-Bevölkerung aus mindestens sieben EU-Ländern reichen aus, um eine Europäische Bürgerinitiative einzuleiten. Damit kann die EU-Kommission aufgefordert werden, einen Rechtsakt zu einem bestimmten Bereich (z. B. Umwelt, Landwirtschaft, Verkehr) vorzuschlagen. Finanz- und Wirtschaftskrise Seit 2009 wurden mehrere Länder des Euro-Raumes von einer Finanz- und Wirtschaftskrise erfasst. Betroffen waren besonders Griechenland, Irland, Spanien, Portugal und Italien. Zu den schwerwiegenden Auswirkungen in diesen Ländern gehören die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die massive Kürzung von Sozialleistungen. Die Bewältigung dieser Krise stellt für die EU als Solidargemeinschaft eine der größten Herausforderungen dar. Es ist für die gesamte Wirtschafts- und Währungsunion wichtig, dass sich die „Krisenstaaten“ schnell erholen. 15. Die EU: Kritik und Probleme In Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise wurden Befürchtungen vom „Auseinanderbrechen der EU“ laut. Verstärkt werden seither unterschiedliche Europakonzepte diskutiert: Eines davon ist jenes der „EU der zwei Geschwindigkeiten“. Das würde bedeuten, dass einige EU-Staaten eine schnellere Integration auf bestimmten Gebieten vereinbaren. Andere Mitgliedstaaten würden später nachfolgen. Das Konzept „Kerneuropa“ hingegen würde vorsehen, dass eine Gruppe von Mitgliedstaaten („Kern“) eine verstärkte Integration miteinander betreibt, andere Staaten sich hingegen mit einer weitreichenden Zusammenarbeit begnügen würden. Flüchtlings- und Asylpolitik In den Jahren 2015 und 2016 kamen mehr als eine Million Flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten in die EU. Die meisten flohen vor Terror und Krieg in Syrien und anderen Ländern. Manche überquerten die EU-Außengrenzen auch in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Die große Zahl an Flüchtlingen brachte vor allem Staaten wie Griechenland und Italien an ihre Belastungsgrenze. Die Bereitschaft von mittel-, west- und nordeuropäischen Mitgliedstaaten, Flüchtlinge und Asylsuchende aufzunehmen, war relativ hoch, die der meisten osteuropäischen Staaten gering oder gar nicht vorhanden. Dies führte zu Auseinandersetzungen innerhalb der EU. Im Jahr 2016 schloss die EU ein Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Das Ziel war, die Zahl der Menschen zu verringern, die über die Türkei die EU erreichen, um hier Asyl zu beantragen. Das Abkommen sieht vor, dass alle neu auf griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge in die Türkei zurückgeführt werden. Als Gegenleistung soll die Türkei Geld, Visafreiheit und raschere EUBeitrittsgespräche bekommen. Kritikerinnen und Kritiker beklagen, dass sich die EU durch den Abschluss des Abkommens in zu große Abhängigkeit vom türkischen Präsidenten Erdoğan begeben habe. Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass damit auch humanitäre Standards dramatisch herabgesetzt würden. Brexit Nach einer Volksabstimmung 2016 trat Großbritannien im Jahr 2020 aus der EU aus. Damit verließ das Vereinigte Königreich den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Erweiterung Die Frage, ob, wie und wann sich die EU noch erweitern soll, ist umstritten. Beitrittskandidaten sind (Stand Jänner 2024): Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, die Türkei und die Ukraine; der Kosovo gilt als „potenzieller Beitrittskandidat“. Die Gegner weiterer EU-Beitritte bezweifeln, dass die Beitrittskandidaten die Aufnahmekriterien umsetzen können. Manche meinen außerdem, eine Erweiterung würde der EU mehr Probleme als Vorteile bringen. Die Aufnahme neuer Mitglieder müsste von den EU-Staaten einstimmig beschlossen werden. In einigen Ländern gibt es sowohl unter Politikerinnen und Politikern als auch in der Bevölkerung Widerstände gegen eine weitere Erweiterung. 64 Kompetenztraining Politische Handlungskompetenz Alleine oder mit anderen für gemeinsame und/oder für die Interessen anderer eintreten und eingegangene Kompromisse akzeptieren Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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