In der Bundesverfassung nimmt die Kontrolle der Staatsgewalten einen wichtigen Platz ein. Realpolitisch wenig wirksam ist dabei die Kontrolle der Regierung durch den Nationalrat (S. 30 ff.). Sehr wichtige Kontrollorgane von Gesetzgebung und Vollziehung sind jedoch der Verfassungs- und der Verwaltungsgerichtshof, der Rechnungshof und die Volksanwaltschaft. Von der Verfassung her sind sie unabhängig. Doch in der Verfassungswirklichkeit spiegelt sich auch hier die österreichische Parteiendemokratie wider: Die personelle Besetzung auch dieser Kontrollorgane erfolgt nämlich im Wesentlichen durch die gewählten, Macht ausübenden Politikerinnen und Politiker und indirekt damit auch durch die Parteien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Die Bundesregierung hat das Vorschlagsrecht für acht, Nationalrat und Bundesrat haben dieses für die übrigen sechs der vierzehn Mitglieder des VfGH. Die vom Bundespräsidenten ernannten Verfassungsrichterinnen und -richter setzen sich aus Verwaltungsbeamtinnen und -beamten, Richterinnen und Richtern, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie Universitätsprofessorinnen und -professoren zusammen. Die Hauptaufgabe des VfGH liegt in der Überprüfung von Gesetzen, Verordnungen und Staatsverträgen auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Er fällt das Urteil bei Kompetenzstreitigkeiten (z. B. wer welches Gesetz erlassen darf) zwischen Bund und Ländern oder zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden, bei der Anfechtung von Wahlen, Volksabstimmungen oder Volksbegehren und als „Staatsgerichtshof“ bei Ministeranklagen. Auch für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger ist der VfGH wichtig: Er entscheidet nämlich über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, wenn eine Verletzung der (verfassungsmäßig garantierten) Grundrechte oder die Anwendung rechtswidriger Gesetze oder Verordnungen eingeklagt wird. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Der VwGH ist zuständig für die rechtliche Kontrolle der Verwaltung und sorgt für den Rechtsschutz der oder des Einzelnen gegenüber der Hoheitsverwaltung. Er entscheidet vor allem bei Beschwerden über: ––die Rechtswidrigkeit von Maßnahmen oder Bescheiden der Verwaltungsbehörden; ––die Säumnis der Behörden bei der Bescheidausstellung; ––die falsche Auslegung des behördlichen Ermessensspielraums. In Asylverfahren ist seit Juli 2008 nicht mehr der VwGH zuständig, stattdessen wurde ein eigener Bundesasylgerichtshof eingerichtet. Der Rechnungshof (RH) Der Rechnungshof ist ein Kontrollorgan der gesetzgebenden Gewalt und untersteht organisatorisch dem Nationalrat. Seine Präsidentin oder sein Präsident wird vom Nationalrat für eine einmalige Amtszeit von 12 Jahren gewählt (und kann jederzeit abgewählt werden). Die Hauptaufgabe des Rechnungshofs ist die so genannte Gebarungskontrolle von Bund, Ländern, Gemeinde(-verbänden), Sozialversicherungen, staatlich verwalteten Fonds und allen Wirtschaftsunternehmungen, an denen der Staat mit mindestens 50 Prozent beteiligt ist. Unter die Gebarungsüberprüfung fällt dabei nicht nur die rechnerische Kontrolle von Einnahmen und Ausgaben dieser Institutionen, sondern auch ihre Überprüfung auf Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Rechnungshof wird im Regelfall von sich aus tätig. Er kann aber auch zu Sonderprüfungen herangezogen werden (z. B. wenn die Bundesregierung oder ein Drittel der Nationalratsabgeordneten dies verlangen). Jährlich erstellt der Rechnungshof den „Bundesrechnungsabschluss“ und einen Tätigkeitsbericht an den Nationalrat (= „Rechnungshofbericht“). Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Rechnungshof und Bundes- oder einer Landesregierung über den Umfang der Prüfungstätigkeit entscheidet der VfGH. Die öffentlichen Prüfberichte des Rechnungshofs (noch mehr jedoch die unveröffentlichten „Rohberichte“, die durch Indiskretion immer wieder in 11. Die Kontrolle der Staatsgewalten: Nationale und europäische Gerichtshöfe Die 14 Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter können ihre Funktion bis zum 70. Lebensjahr ausüben. Foto, 2018. 54 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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