Zeitbilder 8, Schülerbuch

In diesem Kapitel erweiterst du deine Politische Sachkompetenz, indem du dich mit verschiedenen Formen direkter Demokratie in der österreichischen Verfassung und auf Bundesebene beschäftigst. Außerdem sollst du eine eigene Stellungnahme zum Thema „Direkte Demokratie“ formulieren. Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) bestimmt: Artikel 41. (2) Jedes von 100 000 Stimmberechtigten oder von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder unterstützte Volksbegehren ist von der Bundeswahlbehörde dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen. (…) Artikel 43. Einer Volksabstimmung ist jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates (…) zu unterziehen, wenn der Nationalrat es beschließt oder die Mehrheit der Mitglieder des Nationalrates es verlangt. (…) Artikel 44. (3) Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung (…) ist (…) einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen. (…) Artikel 49b. (1) Eine Volksbefragung über eine Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung, zu deren Regelung die Bundesgesetzgebung zuständig ist, hat stattzufinden, sofern der Nationalrat dies auf Grund eines Antrages seiner Mitglieder oder der Bundesregierung (…) beschließt. Wahlen sowie Angelegenheiten, über die ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat, können nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein. (Bundes-Verfassungsgesetz. Online auf: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer= 10000138, 12. 12. 2018) Das Schweizer Modell der direkten Demokratie: Das Parlament macht die Gesetze und schlägt Änderungen in der Verfassung vor. Über Änderungen in der Verfassung muss aber das Volk zwingend abstimmen (…). Die Verfassungsänderung wird nur dann angenommen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung (Stimmberechtigten) und der Kantone zustimmen. Das Volk kann aber auch von sich aus ein Anliegen einbringen und kann eine Änderung in der Verfassung verlangen. Dafür müssen 100 000 Personen unterschreiben (Volksinitiative). Dann muss das Volk über die Bestimmung abstimmen. Diese wird angenommen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung und Kantone die Vorlage befürworten. Wenn das Parlament hingegen ein neues Gesetz erlässt, muss es dem Volk nicht zur Abstimmung vorgelegt werden. Wenn das Volk aber nicht einverstanden ist, kann es eine Abstimmung verlangen. Dafür müssen mindestens 50 000 Personen unterschreiben. (…) Die Gesetzesänderung [wird] bereits angenommen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung (Stimmberechtigten) zustimmt, die Mehrheit der Kantone ist hingegen nicht erforderlich. (Keraj, Das politische System. Online auf: https://www.vimentis.ch/d/ publikation/231/Das+politische+System+der+Schweiz.html, 12. 4. 2018) M1 M2 8. Die direkte Demokratie in Österreich Der Journalist Michael Völker beurteilt die Haltung von Jung und Alt zur direkten Demokratie so: Demokratie ist zumutbar (…) Die Jungen werfen den Alten vor, den Menschen nichts zuzutrauen, sie für dumm (und rechts) zu halten, sich der Demokratie und der Mitbestimmung zu verweigern, sich ganz auf die Autorität der Abgeordneten zu verlassen – oder schlicht den Aufwand zu scheuen, der damit verbunden ist, das Volk in demokratische Entscheidungsprozesse einzubinden. Da ist was dran. Die Alten werfen den Jungen vor, zu unsensibel für die Werkzeuge der Demokratie zu sein, dem Volk zu viel zuzumuten. Das Volk sei nicht qualifiziert genug, um komplexe Entscheidungen treffen zu können. Es sei leicht vom Boulevard [= Sensationspresse; Anm. d. A.] beeinflussbar und von den Demagogen verführbar. Wie man an den Wahlergebnissen sieht. Wohin das führt, das weiß man ja. Da ist was dran. Die Debatte muss aber dazwischen geführt [werden]. De facto sind alle Parteien für einen Ausbau der direkten Demokratie – durchaus mit unterschiedlichen Zugängen. Und es fällt auf, dass ausgerechnet die SPÖ, die gerne Volksabstimmungen anordnen würde, wenn es ihren Proponenten [= Vertretern; Anm. d. A.] gerade tagesaktuell in den Kram passt, als einzige Partei keinen konkreten Plan vorgelegt hat (…). Auf die Details aber kommt es an: worüber abgestimmt wird; wie viel Stimmen notwendig sind; wann und in welchen Fragen der Nationalrat überstimmt werden kann. Tatsächlich kratzen die Modelle (…) an den Grundfesten der repräsentativen Demokratie. Und da kann man ruhig auf die Bedenken der „Alten“ (…) hören: Auch Verfassungsgesetze zur allgemeinen Abstimmung freizugeben ist gefährlich und heikel. (…) Die Frage ist: Was kann dem Volk zugemutet werden (…)? Mehr als jetzt jedenfalls. (…) Man muss überlegen, ob sich Studiengebühren oder die Wehrpflicht zur Abstimmung eignen (…). Den Bürgern ist zumutbar, (…) mehr Verantwortung zu übernehmen – auch in gelegentlichen Volksabstimmungen. (Völker. In: Der Standard, 23./24. 6. 2012, S. 36) Der ehemalige Bundespräsidenten Heinz Fischer im Interview über mehr direkte Demokratie (2012): Immer mehr Politiker wollen, dass Volksbegehren ab einer bestimmten Grenze automatisch zu einer Volksabstimmung führen. Sollen in diesem Sinne die Bürger über den Verbleib der Griechen im Euro abstimmen? Man muss sehr genau überlegen, inwieweit man die Entscheidungsmöglichkeiten und die Entscheidungsverantwortung des Parlaments durch plebiszitäre Elemente ersetzt. Eine Abstimmung über die Griechenland-Problematik in Österreich bringt uns nicht weiter. Da müsste aus Gründen der Gleichheit überall in Europa (…) abgestimmt werden. (…) M3 M4 48 Kompetenztraining Politische Sachkompetenz Fachliche Begriffe/Konzepte des Politischen auf Fallbeispiele kritisch anwenden und adaptieren Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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