Österreichs Bundespräsidenten 1945 wurde der Chef der Provisorischen Regierung, Karl Renner, noch von der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) zum Bundespräsidenten gewählt. Seit 1951 aber wählt das Volk den Bundespräsidenten entsprechend der Verfassungsnovelle von 1929. Nachfolger Renners wurde Theodor Körner, ihm folgten Adolf Schärf (1957) und Franz Jonas (1965 bis 1971). Von 1974 bis 1986 übte der parteilose Außenminister der Regierung Kreisky, Rudolf Kirchschläger, das Präsidentenamt aus. Sein Nachfolger wurde 1986 der parteilose ÖVP-Kandidat Kurt Waldheim, von 1971 bis 1981 Generalsekretär der UNO. Er hatte über seine Vergangenheit während des NS-Regimes und als Offizier im Zweiten Weltkrieg Tatsachen verschwiegen und selbst alle Anschuldigungen zurückgewiesen („Ich habe nur meine Pflicht getan!“). Waldheim konnten keine Kriegsverbrechen nachgewiesen werden. Aber er blieb als Bundespräsident außenpolitisch weitgehend isoliert. Die „Waldheim-Affäre“ wirkte jedoch auch in Österreich nach: Es gab nun erstmals eine offener geführte Diskussion über die Täterrolle von Österreicherinnen und Österreichern während der NS-Herrschaft. Waldheims Nachfolger wurde 1992 der ÖVP-Kandidat Thomas Klestil. Ihm folgte 2004 bis 2016 der langjährige SPÖ-Nationalratspräsident Heinz Fischer. Seit 2017 übt der frühere Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, das Amt des Bundespräsidenten aus. Österreich und die EU Österreich konnte aus Neutralitätsgründen nicht der 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) beitreten. Daher schloss es sich 1960 mit anderen Ländern zur Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) zusammen. Das Ziel der 1993 entstandenen Europäischen Union (EU) war neben der Errichtung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes (EWR, 1994) auch eine politische Gemeinschaft. Seit Mitte der 1980er Jahre suchte Österreich den Anschluss an die EG, denn sie – besonders Deutschland – war Österreichs wichtigster Wirtschaftspartner. Als auch die Sowjetunion kein Veto mehr einlegte, stellte Österreich im Jahr 1989 den Beitrittsantrag. Dieser erfolgte allerdings mit dem von der SPÖ geforderten Vorbehalt, auch als EG-(EU-)Mitglied die Neutralität beibehalten zu können. Nachdem das Europäische Parlament der Erweiterung der EU zugestimmt hatte, gab es in Österreich 1994 eine Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union: Nach einem „heißen” Wahlkampf (SPÖ, ÖVP und LIF waren für, FPÖ und Grüne gegen den Beitritt) stimmten schließlich 66,58 Prozent mit Ja. Seit 1. Jänner 1995 ist Österreich daher Mitglied der EU. Mit dem EU-Beitritt bekam Österreich Beobachterstatus im Defensivbündnis „Westeuropäische Union“ (WEU) und trat auch der „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ bei (1995). Dreimal übernahm Österreich bisher die EU-Ratspräsidentschaft (1998, 2006, 2018). Österreich führte ab 2002 auch die derzeit von 19 Staaten verwendete Euro-Währung ein (Stand: 2018). Die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zur EU unterlag Schwankungen: Vor allem die Erweiterungen (2004, 2007) bewirkten anfangs eine stärkere EU-Skepsis bzw. -Ablehnung. Nach wie vor misstraut eine Mehrheit der österreichischen Bevölkerung der EU als Ganzes (55 Prozent), aber gleichzeitig sehen 58 Prozent die Zukunft der EU positiv (vgl. „Eurobarometer“ 2017). Eine andere Umfrage wiederum stellte im selben Jahr fest, dass „57 Prozent der Österreicher (…) der Aussage zu(stimmten), dass die EU von heimischen Politikern oft als Sündenbock verwendet werde, ‚um von eigenen Schwächen abzulenken‘“. (Online auf: http://www. noen.at/in-ausland/oesterreich-mehrheit-lobt-verbindende-rolle-der-eu-asyl-eu-europaeische-union-int-beziehungen-migration-wien/74.343.119, 5. 12. 2018) Die internationale Stellung Österreichs Nach dem Staatsvertrag (1955) begann für Österreich eine neue Periode der Außenpolitik. Es trat der UNO (1955) und dem Europarat (1956) bei und betrieb eine aktive Neutralitätspolitik. Es engagierte sich in der Entspannungspolitik, vor allem im Ost-West-Konflikt. So fand 1961 in Wien das erste Gipfeltreffen nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen einem amerikanischen Präsidenten (Kennedy) und einem sowjetischen Regierungschef (Chruschtschow) statt. Österreich leistete mehrmals humanitäre Hilfe im Dienste der UNO und erhielt auch internationale Anerkennung als Asylland: Nach der gescheiterten Revolution in Ungarn (1956) wurden etwa 180000 bis 200000 Flüchtlinge und nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei (1968) etwa 100000 Flüchtlinge (zum Teil vorübergehend) in Österreich aufgenommen. Auch in Folge des Jugoslawienkrieges fanden zwischen 1991 und 1996 85000 Flüchtlinge in Österreich Zuflucht. 2015/16 wurden in Österreich ca. 130 000 Asylanträge gestellt. Fluchtgründe waren vor allem die Kriege im Nahen und Mittleren Osten sowie kriegerische Auseinandersetzungen und schlechte wirtschaftliche Verhältnisse in vielen afrikanischen Staaten. Seit den 1960er Jahren waren bzw. sind bis heute österreichische UNO-Soldaten zur Friedenserhaltung in Krisengebieten tätig (z. B. Golanhöhen, Kosovo, Libanon). In Wien ist seit 1979 auch die UNO beheimatet. Wien ist Sitz der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEO) und der Organisation für Industrielle Entwicklung (UNIDO). Wien ist seit 1965 auch Sitz der OPEC (= Organisation of the Petroleum Exporting Countries). Österreich führte 2000 und 2017 den Vorsitz in der OSZE (= Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, S. 245), die ihren Sitz ebenfalls in Wien hat. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Skizziere die internationale Stellung Österreichs seit 1955. Österreich II – die Zweite Republik 23 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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