dem Kanzler weniger schlaflose Nächte bereiten würden „als ein paar hunderttausend Arbeitslose“. (Sileitsch, Austro-Keynesianer wider Willen. Online auf: https://www. wienerzeitung.at/nachrichten/archiv/30599_Austro-Keynesianer- wider-Willen.html, 13. 4. 2018) Der Kreisky war schuld! An der hohen Staatsverschuldung nämlich, das glauben sogar SozialdemokratInnen. Betrachtet man allerdings die Entwicklung der Finanzschulden des Bundes seit der ersten Regierung Kreisky 1970 (Minderheitsregierung) bis zum Antritt des ersten Schüssel-Kabinetts 2000, kommt man zum gegenteiligen Ergebnis: In den Jahren der Kreisky-Alleinregierungen war sowohl das Nettodefizit des Budgets wie der prozentuelle Anstieg der Gesamtverschuldung im Schnitt am niedrigsten. (Poth, Nix Kreisky. Online auf: https://rpoth.at/schulden.html, 13. 4. 2018) Kreisky, der Journalisten- und Medienkanzler: Bruno Kreisky revolutionierte den Umgang von Politikern mit Medien und Journalisten. Er begründete ein neues Verhältnis zu Journalisten und erkannte früh die Bedeutung des Fernsehens, um seine politischen Botschaften an das Wahlvolk zu bringen. Viele sehen nicht zuletzt darin eines der Geheimnisse für seinen Erfolg. (…) Egal ob Befürworter oder Gegner – nur die wenigsten Journalisten können sich der Faszination Bruno Kreiskys entziehen. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil er ihnen das Gefühl vermittelt, sie ernst zu nehmen, und einen offenen, manchmal fast freundschaftlichen Umgang mit den Journalisten pflegt. In den 70er Jahren war das ein absolutes Novum, erinnert sich [der Journalist] Gerhard Steininger: „Um ein Interview von (Kreisky-Vorgänger ÖVP-Bundeskanzler) Klaus zu bekommen, war es ein Staatsakt. (…) [Kreisky] hat akzeptiert, dass Journalisten mit ihren Quellen reden müssen, und hat sich auch in der Regel dazu bereit erklärt. (…) Auch die berühmte Floskel: „Ich bin der Meinung, …“ und den langsamen Sprachduktus entlarvt Hausjell als rhetorischen Trick: Das zeige, dass sich der Redner die nötige Zeit nimmt, um zu überlegen, was er als wesentliche Informationen überbringen wolle. Bruno Kreisky gelingt es, im Zusammenspiel mit den Journalisten die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten zu steuern. Bald werden ihm die Beinamen Journalistenkanzler, Medienkanzler, großer Zampano gegeben. Kreisky habe die Medien nicht als Bedrohung gesehen, sondern als Chance, sagt Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell. (Kreisky, der Journalistenkanzler. Online auf: http://oe1.orf.at/artikel/267499, 13. 4. 2018) M3 Auf dieser Doppelseite sollst du deine Historische Methodenkompetenz erweitern. Mit Hilfe des Autorentextes auf S. 18 f. und der Materialien, die auf dieser Doppelseite angeführt sind, sollst du über die Politik in der Ära Kreisky bzw. über seine Person Darstellungen in verschiedenen medialen Formen erarbeiten. Der Historiker Oliver Rathkolb über die Ära Kreisky: Zwei prägende Elemente sind im öffentlichen Gedächtnis in Österreich über die Kreisky-Alleinregierung 1970–1983 präsent: internationale Anerkennung und Reputation [= Ansehen] für einen neutralen Kleinstaat und seinen außenpolitisch höchst aktiven Bundeskanzler sowie Schuldenpolitik. (…) Grundsätzlich muss darauf hingewiesen werden, dass es den Austro-Keynesianismus als wirtschaftspolitische Strategie (…) 1970 nicht gab. (…) Vor allem in den ersten Jahren nach 1970 wurden hingegen Transferleistungen (Schulfreifahrten, kostenlose Schulbücher, kostenlose Mutter-Kind-Untersuchungen, Heiratsbeihilfe) geschaffen, um die niedrigen Einkommen zu entlasten. Gleichzeitig wurden aber alle Einkommen dadurch erhöht, dass diese Maßnahmen nicht sozial gestaffelt waren (…). Die Phase eins des Deficit Spending in der Regierung Kreisky II nach 1973 war eine wirtschaftspolitische Reaktion auf den ersten Erdölpreisschock 1973 und entsprach keineswegs sozialistischen Planungen. (…) Ein zweiter Effekt des Deficit Spending (…) betraf die „Modernisierung“ der österreichischen Wirtschaft. (…) Die 1970er Jahre sind jene Jahre in der österreichischen Volkswirtschaft, in der die meisten Infrastrukturmaßnahmen (Verkehrswege, Schulen, Krankenhäuser, Wohnanlagen) gesetzt wurden, auf denen noch heute unsere Wirtschaft aufbaut. (…) In der Perzeption [= Wahrnehmung] der 1970er Jahre dominierte die Vorstellung, dass mit dem Deficit Spending Arbeitsplätze „erkauft“ würden; unberücksichtigt blieb, dass ja auch langlebige Investitionen geschaffen wurden. (…) Das wesentliche Problem der Jahre ab 1978 war sicherlich, dass es weder im Verstaatlichtenbereich noch in der Privatwirtschaft gelang, auf die ersten deutlichen Anzeichen der Globalisierung und des Endes nationaler und europäischer „Inselwirtschaft“ (…) entsprechend aktiv zu reagieren. (Rathkolb, Die paradoxe Republik, 2011, S. 95–100) Die Journalisten Hermann Sileitsch (2011) und Robert Poth (2003) über Kreiskys „Schuldenpolitik“: Keine andere Kanzlerschaft ist im öffentlichen Bewusstsein so einseitig verankert wie (…) die Ära Bruno Kreiskys. Schuld ist daran ein legendäres Zitat: jene „paar Milliarden (Schilling) Schulden“ mehr, die M1 M2 4. Die Ära Kreisky 20 Kompetenztraining Historische Methodenkompetenz Erstellen verschiedener Darstellungen der Vergangenheit in verschiedenen medialen Formen zur gleichen Materialgrundlage (Quellen, Darstellungen) erproben Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=