Zeitbilder 8, Schülerbuch

NGOs – ein lästiger „bunter Haufen“ oder die „Avantgarde der Zivilgesellschaft“? Die „Non Governmental Organizations“ (NGOs) – die Nichtregierungsorganisationen – werden von manchen Politikerinnen und Politikern immer noch als „lästige Chaosgruppen“ bezeichnet. Sie würden die herkömmliche Politik und ihre (häufig bürgerfernen) politischen Entscheidungsgremien stören. NGOs verlangen mehr Mitentscheidungsrechte von den politischen Entscheidungsträgern und fordern diese offensiv ein – z. B. in Form von Protestbewegungen. Mittlerweile sind NGOs immer öfter auch „Hoffnungsträger“ für eine stärkere Demokratisierung und eine stärker bürgernahe Politik. Man bezeichnet sie nun mitunter auch als „Ombudsleute der Gesellschaft“ oder auch als „Anwältinnen und Anwälte der Natur“. Das Entstehen von NGOs zeugt tatsächlich von funktionierenden pluralistischen Demokratien. Sie selbst aber sind nicht aus Wahlen demokratisch hervorgegangen. Eine „Global Governance“, also eine Steuerung der Weltpolitik durch NGOs, wäre demnach demokratisch nicht legitimiert. Schmaler Grat: retten oder schleppen? Seit 2015 versuchen Jahr für Jahr Tausende Flüchtlinge, von Libyen aus nach Europa zu gelangen. Mit der militärischen Operation „Sophia“ versuchen europäische Streitkräfte, diese Flüchtlingskrise im Mittelmeer unter Kontrolle zu bringen. Neben der Rettung aus Seenot soll vor allem auch der Menschenschmuggel durch Schlepper gestoppt werden. Nach wie vor sind NGOs mit Schiffen im Einsatz, um schiffbrüchige Flüchtlinge zu retten. Q Unterdessen wurde bekannt, dass Italiens Behörden seit Oktober 2016 gegen die NGO „Jugend rettet“ wegen Verdachts der Beihilfe zur illegalen Migration ermitteln. Laut der Tageszeitung La Republica war ein verdeckter Ermittler an Bord eines Schiffes der NGO „Save the Children“ und hat Fotos gemacht, wie Schlepper Flüchtlinge an das Schiff von „Jugend rettet“ übergeben. „Es handelt sich also nicht um gerettete Migranten, sondern um eine Übergabe“, erklärte Staatsanwalt Cartosia. (Der Standard, 4. 8. 2017, S. 6) Um eine mögliche Unterstützung illegaler Migration durch NGOs zu unterbinden, verlangte die Regierung Italiens im Sommer 2017 die Unterzeichnung eines entsprechenden Verhaltenskodex. Das haben mehrere NGOs, wie etwa „Ärzte ohne Grenzen“, abgelehnt und ihren Einsatz zeitweilig ausgesetzt. Das erhöht wiederum das Risiko für die Flüchtlinge. Doch Italien geht von der Auffassung aus, zu bestimmen, wer nach Italien einreise bzw. nach Europa komme, sei Aufgabe des Staates und nicht die von Aktivisten. Libyen steht mittlerweile im Mittelpunkt einer geplanten gemeinsamen Flüchtlingspolitik der EU. NGOs – Abgrenzungen, Aufgaben, Ziele L Der Begriff „NGO“ wurde das erste Mal von den Vereinten Nationen im Jahr 1949 gebraucht. Als NGO gelten nur solche Organisationen, • die organisatorisch von Regierung bzw. Staat getrennt autonom handeln. D. h., sie verfügen weder über Regierungsämter noch über staatliche Durchsetzungsgewalt; • die keine privaten, gewinnorientierten Interessen verfolgen (non profit), sondern sich und ihre Mittel für öffentliche Angelegenheiten einsetzen. Sie sind also gemeinnützig; • die sich in den allermeisten Fällen als „zivilgesellschaftliche Organisationen“ für universelle Anliegen engagieren. Sie klagen Gerechtigkeitsforderungen ein, streiten für Menschenrechte sowie für die Rechte zukünftiger Generationen und sie thematisieren globale Umwelt- und Überlebensinteressen; • die ihre Unterstützung in der Regel durch freiwillige Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit gewinnen. Neben NGOs bestehen noch Varianten – wie z. B. GONGOs (Governmental organized non-governmental organizations) oder QANGOs (Quasi non-governmental organizations). Das sind Organisationen, die zwar nicht zum Staatsapparat gehören. Sie sind aber mit ihm verbunden und von staatlicher Förderung abhängig. Somit werden sie teilweise vom Staat gelenkt. (Nach: Take, NGOs im Wandel, 2002, S. 37 ff.) Vom Beginn der NGOs Als älteste NGO ist das „Rote Kreuz“ zu nennen, die größte weltweit tätige Hilfsorganisation. In Europa entstanden vor allem ab den 1960er Jahren wichtige NGOs. Ihre Zielstellungen betreffen zum einen den Schutz und die Förderung der Menschenrechte, zum anderen die Bewahrung einer lebenswerten Umwelt. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass diese Organisationen wirksam werden können, ist ihre Arbeit auf weltumspannender Ebene und ihre internationale Vernetzung. Solche international tätigen NGOs werden auch als INGOs bezeichnet. NGOs und Menschenrechte „Amnesty International“ ist die wohl bekannteste nichtstaatliche Menschenrechtsorganisation. Q Sie können Ihre Zeitung an jedem x-beliebigen Tag aufschlagen und werden darin eine Meldung finden, dass jemand irgendwo auf der Welt gefangen genommen, gefoltert oder hingerichtet wurde, weil seine Ansichten oder Religion der Regierung nicht passten. (Benenson, Die vergessenen Gefangenen. In: The Observer, London, 28. 5. 1961. Zit. nach: Engelmann/Fiechtner (Hg.), Aller Menschen Würde. Ein Lesebuch für Amnesty International, 2001) 4. NGOs – Engagement für Menschen und Umwelt 136 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=