Zuerst: „Atom für den Krieg“ Im August 1945 wurden von den USA zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Sie töteten Hunderttausende Menschen. Das führte zur Kapitulation Japans und zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Trotz der damaligen Erfahrung mit der gigantischen Zerstörungskraft der Bomben setzte im Kalten Krieg ein beispielloser Rüstungswettlauf ein. Er gipfelte in 70 000 Atomsprengköpfen weltweit im Jahr 1986. 2017 schätzte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, dass diese zwar auf ca. 14 900 reduziert, gleichzeitig aber modernisiert worden waren. In den letzten Jahren bewegten zwei Themen die Diskussion um atomare Rüstung: Der Iran verpflichtet sich mit dem Atomabkommen 2016 zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und lässt internationale Kontrollen zu. Nordkorea bleibt als Atommacht unberechenbar. Erst dann: „Atom für den Frieden“ Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man mit der zivilen Nutzung der Kernenergie. Man sah in ihr die Energie der Zukunft. 1954 ging in den USA der erste Reaktor ans Netz. UNO und EWG richteten besondere Unterorganisationen zur Kontrolle bzw. zur Förderung der Atomkraft ein: UNO 1956 – IAEO (Internationale Atomenergie Organisation; Kontrollinstanz für die Einhaltung internationaler Verträge zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, mit Sitz in Wien); EWG 1957 – EURATOM (regelt die Verwendung und Förderung der Kernkraft innerhalb der EU). Schon bald führte die prinzipielle Skepsis gegenüber der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu Protesten. Das Problem der Zwischen- bzw. Endlagerung des Atommülls (Halbwertszeit des Plutoniums: 24 000 Jahre) konnte bislang nicht gelöst werden. In Deutschland nahmen die meist friedlichen Auseinandersetzungen z. B. um die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf in den 1970er Jahren oder auch die Proteste gegen die CASTOR-Transporte (seit Mitte der 1990er Jahre) auch z.T. gewalttätige Ausmaße an. Österreicherinnen und Österreicher stimmten in der Volksabstimmung im Jahr 1978 mit knapper Mehrheit gegen die Inbetriebnahme des fertig gebauten Atomkraftwerkes (AKW) in Zwentendorf. Doch die AKWs in Tschechien, in der Slowakei, in Slowenien, in Deutschland und in der Schweiz bleiben bestehen. Zwei Super-GAUs! Trendumkehr? Am 26.4.1986 kam es im AKW in Tschernobyl (Sowjetunion/Ukraine) im Rahmen einer Sicherheitsübung zur bis dahin schwersten Reaktorkatastrophe der Geschichte. Tausende Menschen fanden in der Folge durch Verstrahlung in der Ukraine und in Weißrussland den Tod. Die Krebsrate, v. a. bei Kindern, erhöhte sich um das Zehnfache. Das übrige Ost- und Zentraleuropa – einschließlich Ostösterreich – entging knapp einer atomaren Katastrophe. Durch diesen Super-GAU wurden die Vorbehalte gegen die friedliche Nutzung der Atomenergie verstärkt. Trotzdem plante man in den folgenden Jahren aufgrund des weltweit steigenden Energiebedarfs in den Industrieländern ihren Ausbau. Der „Energiehunger“ der Wohlstandsgesellschaften hat die Bedenken gegen die Kernenergie zurückgedrängt. Die wirtschaftlich aufstrebenden Staaten China und Indien benötigen mehr Strom als je zuvor. Sie setzen dabei ebenfalls auf Atomkraft. Doch der Super-GAU in Fukushima (Japan) am 11./12. 3. 2011, „die schlimmste Katastrophe in Japan seit 1945“, bestärkte erneut die Atomskeptiker. Die IAEO möchte nun weltweit mit „Stresstests“ die Sicherheit bestehender Kernkraftwerke überprüfen. Deutschland und die Schweiz haben sich darüber hinaus innerhalb der nächsten 20 Jahre den totalen Ausstieg aus der Atomenergie vorgenommen. Italien will nicht wieder in die Kernenergiegewinnung einsteigen. Andere Länder wie Frankreich oder Großbritannien sehen noch keine andere Lösung für den steigenden Energiebedarf und setzen weiterhin auf den Ausbau der Atomenergie. Der Strom – nur aus der Steckdose? Es geht bei den Auseinandersetzungen um den Ausstieg aus der Kernenergie aber nicht nur um die Verhinderung von Gefahren. Es geht um die Deckung des Energiebedarfs und um die Durchsetzung von nachhaltigem technischen Fortschritt: Wie können alternative Energien aus Sonne, Wasser, Wind und Biomasse erzeugt und besser genutzt werden? Viele Vertreterinnen und Vertreter der Industrie meinen, dass für den steigenden Energiebedarf die alternative Energieproduktion noch zu wenig ausgereift sei. Der britische Umweltschützer und politische Aktivist, George Monbiot, schreibt dazu: 3. Anti-Atom-Protest und Friedensbewegung Kontra-Zwentendorfplakat im Vordergrund, im Hintergrund ein Plakat für das Kernkraftwerk. Foto, 1978. Der damalige Bundeskanzler Kreisky drohte bei einem Nein zur Inbetriebnahme von Zwentendorf mit seinem Rücktritt. 134 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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