Zeitbilder 8, Schülerbuch

Frauen- und Männerwahlrecht in Europa. Ein Aufbruch – die Erste Frauenbewegung Ein wichtiges Ergebnis der Ersten Frauenbewegung, die sich ab etwa 1870 organisierte, war die Erringung des Wahlrechts für Frauen. In Österreich war das im Jahr 1918 der Fall. Der Feminismus als neue soziale Bewegung – die Zweite Frauenbewegung Q Die Zuweisung der Geschlechterrollen ist universell, und auch ihre Folgen sind es. Darum muss auch der Feminismus universell sein. In der westlichen Welt trat vor dreißig Jahren die Frauenbewegung erneut in die Arena. (Schwarzer, Der kleine Unterschied und seine großen Folgen, 1975/2007, S. 9) Ab den 1960er Jahren forderten Frauen immer nachdrücklicher die Befreiung aus männlicher Bevormundung und aus wirtschaftlicher Abhängigkeit. In Diskussions- und Arbeitsgruppen strebten sie politische Selbstorganisation an. Männer schlossen sie aus ihren Diskussionsgruppen aus. Ihren Ausgang nahm die Neue Frauenbewegung von der Studentenbewegung in den USA. Q Wir, MÄNNER und FRAUEN, die wir uns hiermit als National Organization for Women konstituieren, glauben, dass die Zeit für eine neue Bewegung zur vollständig gleichberechtigten Partnerschaft der Geschlechter gekommen ist, als Teil einer weltweiten Revolution für Menschenrecht. (Zit. nach: Castells, Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter, Band 1, 2001, S. 191) Mit dieser Erklärung von NOW (National Organization for Women) im Jahr 1966 wurde die liberale Frauenbewegung gegründet. Sie war eine der bedeutendsten sozialen und politischen Bewegungen des 20. Jh. Ihr Motto war: „Das Private ist politisch.“ Als feministische Bewegung bekämpfte sie vor allem das „Patriarchat“ (= die durch männliche Vorrechte geprägte Gesellschaft). Dieses wurde als sexistische Gesellschaftsordnung bezeichnet: Q Sexismus ist Ausbeutung, Verstümmelung, Vernichtung, Beherrschung, Verfolgung von Frauen; die Verneinung des weiblichen Körpers, die Gewalt gegenüber dem Ich der Frau; die Kolonialisierung und Nutzung ihres Körpers, der Entzug der eigenen Sprache, die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, die Unterschlagung ihres Beitrages zur Geschichte der menschlichen Gattung. (Janssen-Jurreit, Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage, 1978, S. 127) Vor allem die traditionelle Arbeitsteilung, in der der Mann das Vorrecht vor der Frau hatte, kritisierte die feministische Seite massiv. Entsprechend dieser Auffassung ist die Frau für die Kindererziehung und die Arbeit im Haushalt zuständig, der Mann übt einen Beruf aus und verdient Geld (= traditionelles Rollenbild). Auch die verbreitete häusliche Gewalt gegen Frauen wurde thematisiert. Zum Schutz gegen männliche Gewalt wurden z. B. Selbstverteidigungskurse angeboten, Frauenhäuser errichtet und psychologische Beratungsdienste für misshandelte Frauen aufgebaut. Allmählich gelang es, auch die Gewerkschaften, die politischen Parteien und die Kirchen für Themen der Frauenbewegung zu gewinnen. Gender Mainstreaming als neuer Anlauf Trotz aller Bemühungen hat sich die Situation der Frauen in der Gesellschaft lange Zeit nicht zufriedenstellend gebessert. Auf der Grundlage der vierten UN-Weltfrauenkonferenz in Beijing (1995) haben sich schließlich die Regierungen der teilnehmenden Staaten verpflichtet, die Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen. Etwas später hat auch die EU im Vertrag von Amsterdam (1997/1999) festgelegt, dass bei allen politischen Programmen und Maßnahmen die Auswirkungen zu beachten sind, welche sie auf die Gleichstellung der Geschlechter haben – z. B. bei Stellenausschreibungen, bei der Arbeitsplatzgestaltung oder auch bei der Besetzung von leitenden Positionen in Betrieben. Diese Strategie wird als „Gender Mainstreaming“ bezeichnet. Q Mit dem Gender Mainstreaming soll ein umfassender und nachhaltiger Wandel der Geschlechterordnung erreicht werden. Bewirkt werden sollen strukturelle Veränderungen, die deutlich machen, dass Organisationen und Abläufe „vergeschlechtlicht“ sind. Damit soll vom Defizitdenken der Frauen Abstand genommen und auch Änderungen bei den Männern angeregt bzw. gefördert werden. (Lenz/Adler, Geschlechterverhältnisse, Bd. 1, 2010, S. 113) 1. Die Entwicklung der Frauenbewegungen 130 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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