Zeitbilder 8, Schülerbuch

Widerstand. Nach dem Kollaps der afghanischen Armee im Sommer 2021 nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul kampflos ein. Dort geriet der Abzug der Truppen der USA und ihrer NATO-Verbündeten nahezu zu einem Debakel. Damit endete der längste Krieg, den die USA bisher geführt hatten (2001-2021), in einer Niederlage. Mit dem Truppen-Abzug wurden auch tausende afghanische Zivilpersonen, welche die Alliierten vor Ort, z. B. als Dolmetscherinnen und Dolmetscher, unterstützt haben und deshalb gefährdet waren, in westliche Staaten ausgeflogen. Doch viele tausende Unterstützerinnen und Unterstützer mussten mit ungewissem Schicksal in den Wirren zurückbleiben. Die Taliban-Führung bemüht sich seit der Machtergreifung, durch die Zusage, den Terror einzustellen, um internationale Anerkennung. Der österreichische Politikwissenschafter Gerhard Mangott nennt folgende Gründe für das Scheitern der multilateralen Truppen: L Es war eine Fehleinschätzung zu glauben, dass man in Afghanistan tatsächlich eine Demokratie nach dem Ebenbild der Vereinigten Staaten aufbauen kann. (…) Die Vorstellungen der Amerikaner waren von Anfang an völlig fehl am Platz. Man hat die Realitäten der afghanischen Geschichte verkannt. (…) (Mangott, in: Kleine Zeitung, 18. 8. 2021, S. 4 f.) Ebrahim Afsah, Professor für Internationales Recht, Rechtsvergleichung und Ethik im Islam an der Univeresität in Wien, vermutet: L Der Unterschied zwischen der Weltsicht der Taliban und der der gewöhnlichen Bevölkerung ist allenfalls graduell, keinesfalls kategorisch. Das politische Projekt der Taliban scheint mehrheitsfähiger als das der korrupten Kabuler Republik (, die von den USA gestützt wurde. Erg. d. d. A.) Afsah: Warum wir in Afghanistan scheitern. In: Die Presse, 21. 8. 2021, S. 24) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite die in den Literaturstellen zum Ausdruck gebrachten Einschätzungen und Perspektiven der Entwicklung in Afghanistan seit dem Jahr 2001 heraus. 2. Informiere dich über die aktuelle Situation in Afghanistan und in den Nachbarstaaten. Berichte darüber in der Klasse. Der 11. September 2001 und seine Folgen Aufgrund der Verbindungen des Taliban-Regimes zur Al Qaida wurde Afghanistan nach dem 11. September 2001 zum Ziel einer internationalen Militäraktion v. a. der NATO-Staaten unter Führung der USA. Neben den unmittelbaren Verantwortlichen wollte man mit diesem Angriff auch alle jene bekämpfen, die den Terroristen Unterschlupf gewährten. Das Taliban-Regime verurteilte zwar die Anschläge vom 11. September und eine Versammlung islamischer Gelehrter forderte Bin Laden auf, das Land freiwillig zu verlassen. Eine Auslieferung blieb jedoch aus. Daher eröffneten die USA und Großbritannien im Oktober 2001 den Krieg mit Luftangriffen. Der Krieg, in den schließlich auch US-Bodentruppen eingriffen, endete im Dezember 2001 mit dem Sturz des Taliban-Regimes. Viele Mitglieder der Al Qaida fanden den Tod oder flüchteten in die Gebirgsgegenden Afghanistans und Pakistans. Die Gefangenen wurden von den USA auf ihre Militärbasis Guantanamo auf Kuba gebracht und dort zum Teil viele Jahre lang ohne ordentliche Gerichtsverfahren unter oft unmenschlichen Bedingungen inhaftiert. Osama bin Laden selbst wurde erst 2011 in einer Kommandoaktion der USA in Pakistan aufgespürt und getötet. Abzug der NATO nach 20 Jahren – neuerlicher Sieg der Taliban Die Gewalt in Afghanistan konnte nicht eingedämmt werden. Terroranschläge, deren Urheber man meist nicht ausforschen konnte (in Frage kamen Taliban, der IS oder regionale Warlords) erschütterten regelmäßig das Land. 2021 spitzte sich die Situation endgültig zu. Der siegreiche Vormarsch der Taliban stieß kaum auf Generalmajor Chris Donahue, Kommandeur der 82. US-Army Airborne Division, beim Betreten des Evakuierungsflugzeugs. Er verlässt in der Nacht vom 14. zum 15. August 2021 als letzter US-Soldat afghanischen Boden. Internationale Politik der Gegenwart 119 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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