Zeitbilder 8, Schülerbuch

Q Art. I: Die demokratische Republik Österreich ist wiederhergestellt und im Geiste der Verfassung von 1920 einzurichten. Art. II: Der im Jahre 1938 dem österreichischen Volke aufgezwungene Anschluss ist null und nichtig. Art. III: Zur Durchführung dieser Erklärung wird unter Teilnahme aller antifaschistischen Parteirichtungen eine provisorische Staatsregierung eingesetzt und vorbehaltlich der Rechte der besetzenden Mächte mit der vollen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt betraut. Art. IV: Vom Tage der Kundmachung dieser Unabhängigkeitserklärung sind alle von Österreichern dem Deutschen Reiche und seiner Führung geleisteten militärischen, dienstlichen oder persönlichen Gelöbnisse nichtig und unverbindlich. (Unabhängigkeitserklärung. Online auf: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer= 10000204, 12. 12. 2018) Mit dieser Unabhängigkeitserklärung war jedoch die Einheit des Landes noch nicht erreicht. Die Westalliierten hielten die provisorische Regierung für eine Marionettenregierung der sowjetischen Besatzungsmacht und verweigerten ihr zunächst die Anerkennung. Ab Anfang Juli 1945 war ein „Alliierter Kontrollrat“ die „oberste Regierungsgewalt“ in Österreich. Er bestand aus den vier Befehlshabern der Besatzungsmächte. Alle Beschlüsse der österreichischen Regierung mussten von ihm genehmigt werden. Außerdem wurden das österreichische Staatsgebiet und die Hauptstadt Wien in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Auf Initiative Karl Renners kamen im Herbst 1945 mehrere Länderkonferenzen zustande. Dort legten Politiker aller drei Parteien aus allen Bundesländern ein eindeutiges Bekenntnis zum Gesamtstaat ab. Nun anerkannten auch die Westmächte die Wiener Zentralregierung. Damit war die Gefahr einer Teilung Österreichs gebannt. Erste Wahlen und Konzentrationsregierung Im November 1945 fanden die ersten Nationalratswahlen nach 1930 statt. Da die Mehrzahl der Kriegsgefangenen noch nicht heimgekehrt war und die ehemaligen Nationalsozialisten nicht wählen durften, waren von den fast 3,5 Millionen Wahlberechtigten 64 Prozent Frauen. Die ÖVP erreichte mit 85 Sitzen die absolute Mehrheit im Nationalrat, die SPÖ erhielt 76 und die KPÖ 4 von insgesamt 165 Mandaten. Um dem Druck der Besatzungsmächte besser standhalten zu können, wurde wieder eine Konzentrationsregierung gebildet. ÖVP-Obmann Leopold Figl wurde Bundeskanzler und Adolf Schärf, der Vorsitzende der SPÖ, Vizekanzler. Für die KPÖ übernahm Karl Altmann das Ministerium für Elektrifizierung und Energiewirtschaft. Noch 1945 wurde Karl Renner von der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) einstimmig zum Bundespräsidenten gewählt. Auf eine Volkswahl verzichtete man aus Kostengründen. Bis Juni 1946 durfte das frei gewählte Parlament kein Gesetz ohne einstimmige Genehmigung durch den Alliierten Kontrollrat beschließen. Danach galt dies nur noch für Verfassungsgesetze. Bald wurden die Kontrollen an den Zonengrenzen schrittweise abgeschafft. Auch die Besatzungskosten, für die Österreich aufzukommen hatte, wurden ermäßigt und schließlich gestrichen. Der Kampf gegen den Hunger Aus der Bundeskanzler Leopold Figl zugeschriebenen Weihnachtsansprache 1945: Q (…) Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben. Ich kann euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts. Ich kann euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich. (Figl, Zitate aus Ansprachen. Online auf: https://austria-forum.org/af/ Wissenssammlungen/Zitate/Figl%2C%20Leopold, 29. 11. 2017) Besonders im Osten Österreichs litten die Menschen sehr an den Folgen des Krieges. Hier betrug der tägliche Kaloriensatz der streng rationierten Lebensmittel im Mai 1945 nur 350 Kalorien. Todesfälle infolge Hungers häuften sich, besonders in Wien und den niederösterreichischen Industriebezirken. Die Besatzungszonen bis 1955. Österreich II – die Zweite Republik 11 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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