Zeitbilder 8, Schülerbuch

Argentinien – Militärdiktatur und Aufarbeitung ihres Erbes Gedenkveranstaltung für die Opfer der argentinischen Militärdiktatur 1976–1983, Buenos Aires. Foto, 2018. Während der Militärdiktatur (1976–1983) in Argentinien wurden von Seiten der Regierung zahlreiche Verbrechen an der Bevölkerung verübt. Deren politische und rechtliche Ahndung wird erst in jüngerer Zeit konsequenter betrieben. Im Juli 2003 wurden von einem Richter Haftbefehle gegen 45 Mitglieder der früheren Militärregierung erlassen. Unter ihnen befindet sich auch Jorge Rafael Videla, von 1976 bis 1978 Staatspräsident und Oberkommandierender des Heeres. Gleichzeitig wurde ein Erlass aufgehoben, der untersagte, ehemalige Militärs, die während der Diktatur Menschenrechtsverletzungen an Ausländerinnen und Ausländern, vor allem an spanischen Staatsangehörigen, begangen hatten, auszuliefern. Trotz innenpolitischer Widerstände hob das Parlament die Amnestiegesetze aus den Jahren 1986 und 1987 auf, die unter den Titeln „Schlusspunktgesetz“ und „Gesetz über Befehlsnotstand“ eine gerichtliche Verfolgung der Verbrechen verhinderten. Ende 2003 ratifizierte das Parlament auch eine Konvention der UNO, wonach Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren. Der Oberste Gerichtshof entschied 2005, dass neue Verfahren gegen ehemalige Mitglieder der Militärregierung zu eröffnen sind. Solche werden auch gegenwärtig noch geführt. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Der argentinische Staat ahndet die Verbrechen, die während der Militärdiktatur begangen wurden, selbst. Setze dich damit auseinander, welche Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu überwinden sind. 2. Nenne Beispiele für Versuche, Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch nationalstaatliche oder nationale Institutionen aufzuarbeiten. 3. Beurteile in diesem Zusammenhang Bezeichnungen wie „Schlusspunktgesetz“ oder „Gesetz über Befehlsnotstand“. Lateinamerika – einst „Hinterhof“ der USA Seit dem 19. Jh. übten die USA auf die Staaten in Lateinamerika großen Einfluss aus. US-Großkonzerne kontrollierten weite Bereiche der Wirtschaft. In vielen lateinamerikanischen Staaten befanden sich mit amerikanischer Hilfe Großgrundbesitzer, Großindustrielle und Offiziere an der Macht. Sie vertraten die Interessen einer kleinen reichen Oberschicht und regierten diktatorisch. Immer wieder gab es Versuche, diese Zustände zu ändern. Doch die USA unterstützten bei Umsturzversuchen in der Regel jene Kräfte, die ihren Interessen nützten. Sie waren damit 1954 in Guatemala und 1973 in Chile erfolgreich. In Kuba jedoch wurde die von den USA unterstützte Diktatur 1959 gestürzt und der Revolutionsführer Fidel Castro kam an die Macht. Militärregierungen – und ihre Ablöse In den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. kehrten zahlreiche lateinamerikanische Staaten zur Demokratie zurück. Die bis dahin herrschenden Militärdiktaturen hatten wirtschaftlich eine Politik des Wachstums ohne Verteilungsgerechtigkeit verfolgt. Forderungen nach mehr politischer Partizipation und nach gerechterer Verteilung des Wohlstandes wurden daher immer lauter. Der Lateinamerika-Experte Hans Werner Tobler schreibt dazu: L Etwa 40 % der Gesamtbevölkerung Lateinamerikas wurden in den 1990er-Jahren [der Kategorie der Armen] zugerechnet. Ungefähr 6 Mio. Kleinkinder bis zu fünf Jahren galten als unterernährt; etwa 18 Mio. Kinder im schulpflichtigen Alter besuchten keine Schule; (…) mindestens 95 Mio. Menschen hatten keinen angemessenen Zugang zu Trinkwasser; ca. 100 Mio. verfügten nicht über die erforderlichen Gesundheitsdienste. Kinderarbeit war die Regel, Kinderprostitution häufig anzutreffen. (Tobler, Lateinamerika. In: Konrad/Stromberger (Hg.): Die Welt im 20. Jh., 2010, S. 330) Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen waren in den lateinamerikanischen Staaten sehr unterschiedlich. In Argentinien z. B. musste die Militärregierung nach der Niederlage gegen Großbritannien im Krieg um die Malvinen bzw. Falkland-Inseln (1982) 1983 freie Wahlen zulassen. In Uruguay, El Salvador und Guatemala zwang massiver innerstattlicher und internationaler Druck die Militärregierungen dazu, die Macht abzugeben. Auch in Brasilien, Ecuador, Peru und schließlich auch in Chile zogen sich die militärischen Machthaber zurück. Die Militärregierungen hatten der Mehrheit der Bevölkerung keine Beteiligung am politischen Leben zugestanden und massive Menschenrechtsverletzungen verübt. Kritische Personen und Oppositionelle wurden willkürlich verhaftet, gefoltert und vielfach auch ermordet. Die Angehörigen wurden darüber zumeist im Unklaren gelassen. 3. Lateinamerika – zunehmende Bedeutung in der Weltpolitik 106 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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