2.3 Die Volksrepublik China – auf dem Weg zur Weltmacht China wird „Volksrepublik“ Nach Ende des Zweiten Weltkrieges brach in China erneut der seit Ende der 1920er Jahre immer wieder aufflammende Bürgerkrieg zwischen der Regierungsarmee Tschiang Kai-Sheks und der „Roten Armee“ Mao Zedongs aus. Da die Kommunisten für eine radikale Bodenreform eintraten, erhielten sie vor allem von der bäuerlichen Bevölkerung Unterstützung. 1949 endete der Krieg mit einem Erfolg der „Roten Armee“. Am 1. 10. 1949 rief Mao Zedong in Beijing die „Volksrepublik China“ aus. Tschiang Kai-Shek zog sich mit seinen Anhängern auf die Insel Taiwan zurück und errichtete dort mit Hilfe der USA die „Republik China“. Von der Landreform zur Kollektivierung Die neue kommunistische Führung gestaltete die bestehenden Verhältnisse um. Die ideologische Grundlage bildete der Marxismus-Leninismus. Einige Grundgedanken wurden jedoch an die besondere Situation Chinas angepasst, z. B. sollten Bäuerinnen und Bauern (statt der Arbeiterschaft) und „Massen“ (statt „Kader“) Trägerinnen und Träger der revolutionären Umgestaltung sein. 1950 beschloss die Regierung die Enteignung der Grundbesitzer, ab 1955 bildete jedes Dorf eine „Sozialistische Produktionsgemeinschaft“. In ihr bearbeiteten die Familien gemeinsam die Felder. Die Ernte wurde aufgeteilt. Als Privatbesitz verblieben nur noch das Haus, der Garten und das Kleinvieh. Industrie, Handel und Banken wurden schrittweise verstaatlicht. Ein 1953 beschlossener erster Fünfjahresplan sollte – nach sowjetischem Vorbild und unterstützt von Fachleuten und Krediten aus der UdSSR – die Industrialisierung beschleunigen. „Der große Sprung nach vorn“ – ein Fehlschlag Kritik und schlechte Wirtschaftsergebnisse führten 1958 zur Politik des „großen Sprungs nach vorn“: Industrie und Landwirtschaft sollten gefördert und Veränderungen in der Gesellschaft vorgenommen werden. Um die traditionellen Familienstrukturen aufzulösen, wurden im ländlichen Bereich die Volkskommunen geschaffen. Erziehung, Feldarbeit, Altenpflege und Freizeit waren nämlich bis zu diesem Zeitpunkt in den Familien verankert. In den Kommunen sollte es weder Privateigentum noch Privatleben geben. Die Wirtschaft erlitt durch die Politik des „großen Sprunges“ schwere Rückschläge. Bis 1962 herrschte Hunger. Ihm fielen nach Schätzungen 30 bis 50 Millionen Menschen zum Opfer. Das zwang die Parteiführung, viele Maßnahmen zurückzunehmen. Die Volkskommunen jedoch blieben, wenn auch mit eingeschränkten Aufgaben, bestehen. Zahlreiche ideologische Gegensätze zwischen Beijing und Moskau führten 1960 zum Bruch zwischen den beiden kommunistischen Staaten. Die „Proletarische Kulturrevolution“ (1966–1970) Anfang der 1960er Jahre verschärften sich in China die gesellschaftlichen Probleme. Dazu zählten eine Wirtschaftskrise, schlechte Berufsaussichten für die Jugend und Privilegien der politischen und militärischen Führungsschicht. Es kam zu Unruhen. Mao und seine Anhängerinnen und Anhänger nützten die Situation: Sie forderten v.a. die jungen Menschen zu einer „Proletarischen Kulturrevolution“ auf. Als „Rote Garden“ folgten Millionen diesem Aufruf. In Kampagnen der „Roten Garden“ wurden Funktionärinnen und Funktionäre, Lehrende, Vorgesetzte, Kunstschaffende u. a. öffentlich angegriffen, verspottet und aus ihren Ämtern entfernt. Viele von ihnen wurden inhaftiert oder sogar hingerichtet. Das gewaltsame Vorgehen der „Roten Garden“ weckte Widerstand. Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Bäuerinnen und Bauern streikten. Es kam zu bürgerkriegsähnlichen Kämpfen. Schließlich stellte sich auch Mao gegen die „Roten Garden“. Die Armee griff ein und 1970 wurde die „Kulturrevolution“ offiziell für beendet erklärt. Sie hatte aber schwerwiegende Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und Bildung: L Der Gewaltausbruch gegen die alte Welt dauerte nicht länger als einige Wochen, doch er hatte nachhaltige Folgen. Bald, nachdem Frauen, die sich modisch kleideten, von Rotgardisten angegriffen, ihnen die Haare in aller Öffentlichkeit geschnitten und das Gesicht mit Lippenstift beschmiert worden war, setzte eine eintönige Uniformität ein. (…) Männer und Frauen zogen einfache Kleidung vor, hauptsächlich blaue oder graue Baumwolluniformen und schwarze Stoffschuhe. (…) Buchläden hatten außer dem kleinen roten Buch („Mao Bibel“) und anderen Schriften des Vorsitzenden keine Auswahl. (…) Ganze Bereiche der Kunst, des Handwerks und der Industrie waren vernichtet. (…) (Dikötter, Mao und seine verlorenen Kinder, 2017, S. 95 ff.) Plakat aus der Zeit der „Kulturrevolution“ (1968), in der Mitte eine Rotgardistin mit Maos „Rotem Buch“. Der Text auf dem Plakat bedeutet: Neue Standards für die Leistung einführen: „Genauso wie die heldenhafte 4. Kolonne und Kamerad Li Wen’chung hart arbeiteten, um die Selbstsucht zu bezwingen und das gemeinsame Wohl zu befördern, sollen wir die neuesten Weisungen des Vorsitzenden Mao in die Tat umsetzen.“ 102 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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