Der österreichische Außenminister Mock (links) und sein ungarischer Amtskollege Horn zerschneiden am 27. Juni 1989 symbolisch den Stacheldrahtzaun an der Grenze bei Sopron. Foto, 1989. Diese Inszenierung für die Medien fand einige Wochen nach der tatsächlichen Beseitigung des Grenzzaunes statt. L Ein neuer Faktor war die Rolle der Massenmedien. Besonders die Ungarn, Tschechen und Deutschen waren in der Lage, ihre eigene Revolution jeden Abend in den Fernsehnachrichten zu sehen. Für die Bevölkerung von Prag stellten die Wiederholungen der Ereignisse im Fernsehen eine Art unmittelbarer politischer Erziehung dar, die ihnen eine doppelte Botschaft einhämmerte: „Sie sind machtlos“ und „Wir haben es getan“. Infolgedessen verlor der Kommunismus seinen entscheidenden Aktivposten, Informationskontrolle und -monopol. Die Furcht, allein zu sein – die Unmöglichkeit zu wissen, ob die eigenen Gefühle von anderen geteilt wurden – war für immer dahin. (Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart, 2012, S. 723) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Skizziere anhand des Autorentextes, wie die jeweiligen kommunistischen Parteien in Ungarn und Polen die Macht im Staat erlangten. 2. Arbeite aus dem Text von Manès Sperber seine Sichtweisen der Ereignisse von 1956 (Suezkrise/Ungarn) und seine Zukunftsvisionen heraus. 3. Analysiere die Bedeutung des Wegfalls eines bestehenden staatlichen Informationsmonopols in der Phase eines revolutionären Umbruchs. 4. Betrachte das Foto und lies die Bildunterschrift. Nenne mögliche Absichten einer derartigen Inszenierung. Denke an die dargestellten Persönlichkeiten und an jene, die solche Bilder wahrnehmen. der politische Einfluss der „Solidarität“ rasch zunahm, wurde sie 1981 verboten. 1988, nach einer neuerlichen Streikwelle, einigten sich Regierung und Opposition auf einen Übergang Polens zu einer parlamentarischen Demokratie. Ebenso wie in Polen brach auch in den anderen Volksdemokratien die kommunistische Staatsmacht zusammen. Der deutsche Historiker Edgar Wolfrum schreibt: L Im Mai 1989 begannen ungarische Grenztruppen mit dem Abbau der Sperranlagen und zerschnitten den Zaun an der ungarisch-österreichischen Grenze; der Eiserne Vorhang wurde durchlässig, vor allem für Zehntausende von DDR- Flüchtlingen. Ebenfalls friedlich verlief der Umsturz in der Tschechoslowakei. Der späte, dann aber beharrliche Massenprotest trieb die reformunwillige kommunistische Führung aus dem Amt, und der noch Anfang des Jahres 1989 inhaftierte Bürgerrechtler und Dramatiker Vaclav Havel wurde zum Staatspräsidenten gewählt. In Bulgarien und Albanien dauerte alles länger und war die Situation lange kritisch. Blutig, ja begleitet von Gewaltexzessen war der Umsturz in Rumänien, denn die gefürchtete Geheimpolizei „Securitate“ verübte zahlreiche Gräueltaten, während der Diktator Ceausescu auf der Flucht verhaftet und zusammen mit seiner Frau nach einem kurzen Schau-Prozess hingerichtet wurde. Im blockfreien Jugoslawien, in dem es bereits seit dem Tode Titos 1980 unruhig geworden war, verschärften sich die Autonomiebestrebungen der reicheren Teilrepubliken. Nationalistische Politiker schürten alte ethnische und religiöse Konflikte, die den Balkan für Jahre in einen erschreckenden, schonungslosen Bürgerkrieg mit Vertreibungen und Massenmorden stürzten. (Wolfrum, Welt im Zwiespalt, 2017, S. 69) Auch in der DDR erhob sich in den 1980er Jahren Widerstand. Besonders innerhalb der Kirchen bildeten sich Gruppen, die trotz strenger Überwachung und Bespitzelung für Menschenrechte und Frieden eintraten („Schwerter zu Pflugscharen“). Die Staatsführung lehnte jedoch jede Reformpolitik ab. Viele sahen daher in der Flucht die einzige Chance, dem System zu entkommen. Die Entscheidung fiel schließlich im Herbst 1989. Unter der Parole „Wir sind das Volk“ bewirkten immer größere Demonstrationen den „Fall der Berliner Mauer“ und den Zusammenbruch der kommunistischen Staatsmacht. Der britische Historiker Tony Judt weist auf die besondere Rolle der Medien beim Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaften hin: Das bipolare Weltsystem und sein Zusammenbruch 99 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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