der Armeeführung auf Widerstand. Diese lehnte vor allem eine Senkung der Militärausgaben zugunsten des privaten Konsums ab. Zusätzlich schwächten noch außenpolitische Misserfolge wie der Bruch mit China (1960) oder die Kubakrise (vgl. S. 95) Chruschtschows Position. Er wurde 1964 zum Rücktritt gezwungen. Breschnew festigt die Staatsmacht erneut – und scheitert Unter dem neuen Parteichef Leonid Breschnew (1964 – 1982) wurden die Reformen gestoppt und der Druck der Staatsmacht wieder verstärkt. Dies bekamen besonders Kritikerinnen und Kritiker des sowjetischen Systems, so genannte „Dissidentinnen“ und „Dissidenten“, zu spüren. Sie verlangten eine Demokratisierung der Gesellschaft, forderten Meinungsfreiheit und protestierten gegen Rechtsverstöße durch die Behörden. Die Staatsmacht reagierte mit Berufsverboten, Gefängnis, Zwangsarbeit, Einweisung in psychiatrische Kliniken, Verbannung und Ausbürgerung. Ende der 1970er Jahre geriet die sowjetische Wirtschaft in eine tiefe Krise. Spätestens Mitte der 1980er Jahre erkannten immer mehr Parteifunktionäre, dass sich die Krise in Gesellschaft und Wirtschaft nur noch durch grundlegende Veränderungen bewältigen ließe. Perestroika und Glasnost Im Jahr 1985 wurde der Agrarfachmann und Jurist Michail Gorbatschow neuer Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern trat er für grundlegende Veränderungen ein – für „Perestroika“ und „Glasnost“: Erstens sollte ein umfassender Umbau der Wirtschaft (Perestroika) erfolgen. Zweitens sollten die herrschenden Zustände offengelegt und frei kritisiert werden können (Glasnost). Gorbatschow leitete diese Reformen „von oben“ ein. Doch schon lange hatten viele Intellektuelle, Kunstschaffende und engagierte Menschen „von unten“ auf die Veränderung der herrschenden Zustände gedrängt. 1986 durfte der Atomwissenschafter und Dissident Andrej Sacharow aus seiner Verbannung nach Moskau zurückkehren. Viele politische Gefangene wurden amnestiert, die Werke bisher verbotener Schriftsteller veröffentlicht. Im Zuge der neuen Offenheit in den Medien geriet auch der Terror der Stalinzeit immer stärker unter Kritik. L Auf Lastwagen und in Bussen ziehen die Bürger im sibirischen Irkutsk an einem kalten Wintertag des Jahres 1989 vor die Tore der Stadt. Die Fahnen vor den offiziellen Gebäuden stehen auf Halbmast. Die antistalinistische „Memorial“-Bewegung und die Gemeindeverwaltung luden zum symbolischen Begräbnis der kürzlich entdeckten menschlichen Überreste von Opfern eines NKWD-Lagers aus der Stalinzeit. Der örtliche KGB hatte mitgeholfen, das Massengrab zu finden. Der orthodoxe Pope der Stadt übernimmt die Einsegnung. (Löw, Revolution von oben, 1990, S. 34) Stalins letzte Jahre Die Sowjetunion zählte zu den militärischen Siegern des Zweiten Weltkrieges. Doch die Verluste waren groß. Nach Schätzungen hatten mindestens 25 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Weite Teile des Landes waren verwüstet. Viele sahen in Stalin den „Retter der Sowjetunion“. Der Aufbau neuer Industrien, neuer Bildungs- und Forschungsstätten sowie der Aufstieg der Sowjetunion zur neuen militärischen Weltmacht wurden ihm zugeschrieben. Doch Stalins Herrschaft (seit 1924) bedeutete vor allem auch Zwang, (Staats-)Terror und Tod. Die Geheimpolizei verbreitete zudem Misstrauen und Angst. 1953 drohte neuerlich eine Verhaftungswelle, ehe Stalin im März starb. Ereignisse während der Herrschaft Stalins: 1930/31: Deportation von knapp 2 Millionen Bäuerinnen und Bauern, Hunderttausende Tote 1932/33: Ca. 6 Millionen Hungertote als Folge der Zwangskollektivierung 1936 – 38: Der „Große Terror“ führte zu ca. 1,4 Millionen Verurteilungen und ca. 700 000 Hinrichtungen (viele militärische und wirtschaftliche Führungskräfte sowie Intellektuelle, Parteifunktionärinnen und Parteifunktionäre). 1934 – 41: 7 Millionen in Lagern Inhaftierte 1941 – 43: Ca. 600 000 Tote in den Lagern 1953: 2,75 Millionen in Lagern Inhaftierte (Zusammengestellt nach: Courtois u. a., Das Schwarzbuch des Kommunismus, 1998, S. 165–275) Chruschtschow will Reformen in Partei, Staat und Wirtschaft Chruschtschow wurde neuer Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Auf dem 20. Parteitag (1956) verurteilte er den Kult um seinen Vorgänger und enthüllte einen Teil der von Stalin und seinen Helfern begangenen Verbrechen. Knapp die Hälfte der in der Stalinzeit verhafteten Opfer durfte aus den (Arbeits-)Lagern wieder in das zivile Leben zurückkehren. Dennoch herrschte auch unter Chruschtschow Repression. In der Sowjetunion bestimmte die Kommunistische Partei die Politik und alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie war straff organisiert. Kennzeichnend für die Wirtschaft waren zentrale Planung und Verwaltung. Im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik stand der Aufbau der Schwerindustrie. Hinsichtlich des Lebensstandards der Bevölkerung wies die Sowjetunion jedoch einen großen Rückstand gegenüber dem „Westen“ auf. Daher sollte die Versorgung mit Konsumgütern, Lebensmitteln und Wohnungen verbessert werden. Die Arbeiterinnen und Arbeiter erhielten das Recht, ihre Arbeitsplätze zu wechseln. In der Landwirtschaft wurden neue Anbauflächen erschlossen und die Ausrüstung mit Maschinen und Traktoren verbessert. Dennoch musste die Sowjetunion weiterhin Getreide importieren. Chruschtschows Reformen stießen bei vielen Parteifunktionären sowie bei 4. Von der Sowjetunion zur GUS 96 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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