von Bombardierung und Entbehrung betroffenen Zivilbevölkerung. (…) Dabei wurde bis in die 1980erJahre zum einen die Bedeutung des Widerstandes und zum anderen das Leid der vom NS-Regime verfolgten Bevölkerungsgruppen wie Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti („Zigeuner“), Homosexuelle und Oppositionelle, weitgehend aus der gesellschaftlichen Erinnerung ausgeblendet. (…) Die Erinnerung an die im double speak „vergessenen“ Opfer musste fortan häufig gegen erhebliche Widerstände von den „Opfern“ selbst wachgehalten werden. (…) Die Veränderung des österreichischen Geschichtsbewusstseins weg von der (…) „Opferthese“ vollzog sich ab den 1980er-Jahren. (…) [Sie wurde] in ihrer Kernaussage hinterfragt und die gesellschaftliche und letztlich auch politische Verantwortung Österreichs für die Verbrechen des Nationalsozialismus eingemahnt. All dies (…) fand seinen Ausdruck in der sogenannten Mittäterthese. (Lamprecht, Der Gedenktag 5. Mai im Kontext österreichischer Erinnerungspolitik. In: Informationen zur Politischen Bildung Nr. 32, 2010, S. 30 ff.) 1991 forderte der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky in einer Nationalratssitzung, Politikerinnen und Politiker müssten sich klar vom Nationalsozialismus distanzieren und auch die Mitverantwortung eingestehen „für das Leid, das zwar nicht Österreich als Staat, wohl aber Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben“. Fritz Cremer: „O Deutschland, bleiche Mutter“, Mahnmal im Skulpturenpark der KZ-Gedenkstätte Mauthausen: M2 Um dein historisches Denken weiter zu schärfen, sollst du mit Hilfe der hier präsentierten Quellen und Darstellungen sinnvolle Fragen zum Thema „Erinnerungskulturen im Umgang mit der NS-Herrschaft und dem Holocaust“ entwickeln. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich die damit verbundene österreichische „Gedächtnislandschaft“ und die damit zusammenhängende Erinnerungskultur stark verändert. In der Öffentlichkeit wird dies an verschiedenen Gedenktagen, Gedenkorten, Mahnmalen und Denkmälern deutlich. Der Historiker Gerald Lamprecht über die Entwicklung der Erinnerungskultur von der Opfer- zur Mittäterthese in Österreich: Die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Holocaust war in Österreich nach 1945 vor allem von einem double speak geprägt. Demzufolge klaffte zwischen der offiziellen, politischen, staatstragenden, auf die Außenpolitik ausgerichteten Geschichtspolitik und der konkreten gesellschaftlichen Erinnerungspraxis im Land ein großes Loch. (…) [D]ieser double speak [kann] auch rund um den seit 1997 bestehenden „Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“ festgestellt werden. Für viele Jahre in der Zweiten Republik galt offiziell das Diktum [= Lehrmeinung] der sogenannten „Opferthese“. Eine Haltung, die sich vor allem auf die Moskauer Deklaration von 1943 stützte und sich bereits in der Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs vom 27. April widerspiegelte, wenn darin von einer „militärischen kriegsmäßigen Besetzung des Landes“ gesprochen und darauf hingewiesen wird, dass der „Anschluss“ somit dem „hilflos gewordenen Volke Österreichs aufgezwungen“ worden wäre. (…) Die „Opferthese“ spiegelte sich dann auch in den konkreten ablehnenden Positionen der österreichischen Politik in Fragen der Restitutions- und Entschädigungsleistungen gegenüber den – vor allem jüdischen – Opfern des Nationalsozialismus wie auch in der Praxis des politisch-öffentlichen Gedenkens und Erinnerns (…) wider. (…) Auf die kurze Phase der antifaschistischen Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes folgte [auf gesellschaftlicher Ebene], einhergehend mit der (…) Integration der ehemaligen NationalsozialistInnen, die lange Periode des Gedenkens an die (…) in der Deutschen Wehrmacht getöteten österreichischen Soldaten, das Leid der M1 12. E rinnerungskulturen im Umgang mit der NS-Herrschaft und dem Holocaust Skulptur (1964/65). Foto, 2014. 84 Kompetenztraining Historische Fragekompetenz Eigenständige Fragen zu Entwicklungen in der Vergangenheit formulieren Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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