[1981 nahm sich die Arbeitsgruppe „Kritische Mediziner“ des Falles an.] Gross verlor einen aufsehenerregenden Ehrenbeleidigungsprozess, das Gericht betrachtete seine Beteiligung an den Kindermorden als erwiesen. Dennoch dauerte es noch einmal beinahe 20 Jahre, bis die Wiener Staatsanwaltschaft Anklage gegen Gross wegen seiner Verstrickung in die NSKindereuthanasie erhob. Zu einem Urteil kam es jedoch nicht mehr, Gross verstarb Ende 2005. (Der Fall Gross. Online auf: http://www.gedenkstaettesteinhof.at/de/ ausstellung/17-der-lange-schatten-der-ns-psychiatrie, 5. 8. 2017) Über Anton Wolfbauer, „NS-Altparteigenosse“ und ab 1939 Bürgermeister im steirischen Leoben: [In diesen Funktionen] ist er für die „Arisierungen“ mitverantwortlich, ebenso wie für die Verfolgung und Verhaftung von Menschen aus dem Widerstand oder jenen, die sich nicht bedingungslos dem Nationalsozialismus unterwerfen. (…) Wolfbauer ist (…) als Kreisstabsführer des Volkssturmes auch für die Organisation der Bewachung und Begleitung der ungarischen jüdischen Zwangsarbeiter, die gegen Kriegsende (…) in Gewaltmärschen in das KZ-Mauthausen getrieben werden, im Kreis Leoben verantwortlich. So beruft er am 1. April 1945 (…) eine Sitzung der Volkssturmkommandanten ein. Wolfbauer erklärt ihnen, „dass Juden, welche sich widerspenstig benehmen oder gewaltsam vom Transport ausbrechen wollen, mit der Waffe niederzuhalten sind“. Zwar ist nicht bekannt, ob Wolfbauer (…) auch einen Befehl für die Tötung der Gefangenen ausspricht. Doch wie diese Anordnungen von manchen Volkssturmleuten aus Eisenerz ausgelegt werden, zeigt das Massaker vom 7. April 1945 an mehr als 200 Jüdinnen und Juden am Präbichl. (…) (Halbrainer/Lamprecht, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 141 f.) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Benenne mit Hilfe von M1 die verschiedenen Häftlingsgruppen und ihre „Kennzeichnung“. 2. Erkläre den Zusammenhang zwischen der NS-Volksgemeinschaftsideologie und der (Massen-)Tötung von Behinderten (M2). 3. Fasse anhand der Darstellung vor allem der Kapitel 8 und 10 sowie M2, M3, M4, M5, M6 die verschiedenen Täter (-gruppen) zusammen. 4. Verfasse eine Darstellung über die verschiedenen Täter (-gruppen) und ihre Taten während der NS-Herrschaft und versuche dabei auch mögliche Motive für ihr (verbrecherisches) Handeln zu erforschen. Nimm mit Hilfe von M4, M5, M6 auch Stellung zur Verfolgung dieser Taten nach 1945. 5. Verfasse eine Darstellung über die Opfer der NS-Herrschaft. Untersuche dabei vor allem die Frage, aus welchen Gründen die verschiedenen Gruppen verfolgt wurden und welche Bedeutung der Widerstand im Kampf gegen das NS-Regime gespielt hat. M6 gruppen zu zerschlagen. Dabei greift sie auf den systematischen Einsatz von Spitzeln (V-Leute) zurück. Diese sind zumeist politische Gegner, die verhaftet und um den Preis der Freilassung oder des Nichtabschiebens in ein Konzentrationslager wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Sie kehren im „Auftrag“ der Gestapo wieder in die Widerstandsgruppen zurück und beliefern das Nachrichtenreferat der Gestapo mit Informationen. (…) Die Gestapo kann sich aber auch auf die Zuträgerdienste aus der Bevölkerung verlassen. Viele „VolksgenossInnen“ denunzieren jede Form des abweichenden Verhaltens ihrer Bekannten, NachbarInnen, ArbeitskollegInnen usw. (Halbrainer/Lamprecht, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 256) Adolf Eichmann organisierte die Deportation von Millionen von Menschen in die NS-Vernichtungslager. 1961 erklärte er vor dem israelischen Gericht: Ich bedaure und verurteile die von der damaligen deutschen Staatsführung angeordnete Vernichtungstätigkeit gegen die Juden. Ich selbst aber vermochte auch nicht über meinen eigenen Schatten zu springen. Ich war lediglich ein Werkzeug in der Hand stärkerer Mächte und stärkerer Kräfte und eines unerfindlichen Schicksals. (Eichmann-Prozess, 88. Session; 16´50–17´20; Transskript aus: https://www.youtube.com/watch?v=YF2462I109A, 8. 8. 2017) Der Fall des NS-Tötungsarztes Dr. Heinrich Gross an der Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“: 1948 wurde Gross vor dem Volksgericht Wien wegen seiner Beteiligung an den Kindertötungen am Spiegelgrund angeklagt. Das Urteil in der ersten Instanz aus dem Jahr 1950 lautete auf zwei Jahre Kerker, es wurde jedoch vom Höchstgericht wegen eines Formfehlers aufgehoben und das Verfahren verlief schließlich im Sand. Gross startete eine zweite Karriere, wobei ihm die Mitgliedschaft im „Bund Sozialistischer Akademiker“ (BSA) zugute kam: Facharztausbildung (…) und anschließend Rückkehr auf den Steinhof, wo er bis zum Primarius aufstieg. Bereits 1953 begann er mit der Auswertung der Gehirne der Spiegelgrund-Opfer, die sorgfältig präpariert und aufbewahrt worden waren. (…) 1968 erhielt Gross ein eigenes Ludwig Boltzmann-Institut zur Erforschung der Missbildungen des Nervensystems, wo er die systematische Verwertung der Gehirne aus der NS-Zeit fortsetzte. (…) Parallel dazu arbeitete Gross als einer der gefragtesten Gerichtsgutachter Österreichs. 1976 saß er unvermutet einem Überlebenden des Spiegelgrund gegenüber: Friedrich Zawrel, der mit zehn Jahren als „schwererziehbar“ am Spiegelgrund interniert worden war. In dem Gutachten, das Gross über Zawrel erstellte, zitierte er ungeniert aus dessen NS-Akte aus dem Jahr 1944. (…) M4 M5 Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg 83 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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