Die politischen Häftlinge, „Schutzhäftlinge“ genannt, wurden anfangs nicht gekennzeichnet. Erst Ende 1937 erhielten sie einen roten Winkel. (…) Die „Bettpolitischen“ wurden wegen Sexualverkehrs mit Ausländern inhaftiert und als „politisch“ eingestuft. (…) Die (…) Roma und Sinti (…) trugen meist schwarze, aber auch braune Winkel. In so genannten „Zigeunerlagern“ wurden sie von anderen Häftlingen getrennt untergebracht. Ihre Lage war zunehmend prekär [= schwierig; Anm. d. A.], da sie zu medizinischen Experimenten herangezogen wurden, vor allem zur Erprobung der Sterilisation, woran sehr viele starben. (…) (Alakus u. a. (Hg.), Sex-Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, 2006, S. 111 ff.) Über den Massenmord an Menschen mit Behinderung in Schloss Hartheim (1939–1941): In der Tötungsanstalt Hartheim arbeiteten während der Zeit der „Aktion T4“ ungefähr 70 Personen. (…) Die leitenden Funktionen wurden (…) mit zuverlässigen nationalsozialistischen Parteigängern besetzt. (…) Die materielle Seite des Tötungsprozesses (…) war Angelegenheit des Arztes (…); der Gashahn musste laut Vorschrift der Zentrale von einem Arzt bedient werden, er bestimmte die offizielle Todesursache und war für die korrekte Führung der Krankenakte zuständig. (…) Leitende Prämisse [= Bedingung; Anm. d. A.] war die umfassende Geheimhaltung der Todesumstände der Opfer. (…) Von den Informationen, die der Außenwelt mitgeteilt wurden, waren, bis auf die Tatsache des Todes selbst, alle falsch, angefangen von Todeszeitpunkt und Todesursache bis zur Behauptung, in der Urne befinde sich die Asche der betreffenden Person. (…) In Hartheim angekommen, wurden die Opfer vom Pflegepersonal entkleidet. (…) Anschließend wurden die Opfer (…) dem diensthabenden Arzt vorgeführt, der ihre Identität überprüfte, anhand der Krankenakte eine plausible Todesursache festlegte (…) und das Opfer auf goldenen Zahnersatz untersuchte. (…) [Anschließend] brachten die PflegerInnen sie in die Gaskammer. Dieser Raum (…) war wie ein Brausebad eingerichtet. Eine Pflegerin schildert die dadurch intendierte Täuschung: „Wenn sie ansprechbar waren, sagte man ihnen, sie würden gebadet. Viele freuten sich auf das Baden (…).“ Nun öffnete der Arzt den Gashahn. (…) (Kepplinger/Reese, Das Funktionieren einer Tötungsanstalt. In: Rotzoll u. a. (Hg.), Die nationalsozialistische „Euthanasie“-Aktion, 2010, S. 92 ff.) Wie arbeitet die Gestapo? Die Gestapo ist das wichtigste (…) Instrument des NS-Terrors. (…) Der Gestapo gelingt es meist innerhalb kürzester Zeit, organisierte WiderstandsM2 M3 Um deine Historische Methodenkompetenz weiterzuentwickeln, sollst du eine selbstständige Darstellung zum Thema „Über Täter und Opfer der NS-Herrschaft“ erarbeiten. Nütze dazu nicht nur die Quellen und Darstellungen auf dieser Doppelseite. Wichtig sind auch deine bisherigen Erkenntnisse aus diesem Großkapitel, vor allem aus den Kapiteln 8 und 10. Über die verschiedenen Häftlingsgruppen in den Konzentrationslagern: Die „Rassenlehre“ stand bei der Klassifikation der Häftlinge immer im Vordergrund. „Zigeuner“, die als „Asoziale“ gekennzeichnet wurden, verfolgte man wegen ihrer „rassischen“ Herkunft und nicht wegen der ihnen unterstellten gefährlichen „Asozialität“ (…). Die so genannten „Asozialen“ stellten eine eigene Häftlingskategorie dar. Schon vor 1938 wurden Menschen, die keiner Arbeit nachgingen, sowie „Streuner“ und AlkoholikerInnen als „asozial“ deklariert und verfolgt. (…) Die (…) Homosexuellen wurden (…) gezielt verfolgt. Himmler, der die Homosexualität als „Pest“ sah, ließ sie mit äußerster Strenge bestrafen. (…) Neben dem harten Arbeitseinsatz wurden sie u. a. zu Kastrationsversuchen herangezogen. Die „Umpolung“ durch Entmannung und Hormonversuche wurde in vielen Lagern durchgeführt. Sogar nach der Befreiung mussten Homosexuelle in Haft bleiben, da auch in der Zweiten Republik „ihr Andersein“ zunächst als „verachtens- und bestrafenswert“ galt. Sie erhielten den rosa Winkel. Lesbische Frauen galten zwar als sexuell „fehlgeleitet“, jedoch wurde ihr homosexuelles Verhalten als leicht „kurierbar“ angesehen, sie wurden daher nicht systematisch verfolgt. (…) Die so genannten „Bibelforscher“ waren Zeugen Jehovas. Sie waren die einzigen „freiwilligen“ Häftlinge. Sie wurden vor und auch während der Inhaftierung befragt, ob sich ihre Einstellung gegenüber der Wehrmacht, der sie mit besonderer Ablehnung gegenüberstanden, und ihre Glaubensideologie geändert hätten. Kein einziger (…) Häftling hatte seine bzw. ihre Überzeugung geändert und dem Glauben abgeschworen, keiner wurde entlassen. (…) Unter den „Rassengesetzen“ litten die Juden und Jüdinnen besonders. In der Hierarchie im Lager standen sie von Beginn an auf unterster Stufe. (…) Sie kamen in die schwersten Arbeitskommandos und wurden weit öfter gezielt misshandelt als andere Häftlinge. (…) Zur bereits brutalen und rigorosen Behandlung kam (…) die systematische Vernichtung hinzu. (…) Unter den „Kriminellen“ wurden „BVer“ (befristete Vorbeugehäftlinge, auch „Berufsverbrecher“ genannt) und „SVer“ (Häftlinge aus polizeilicher Sicherheitsverwahrung) unterschieden. Während den Berufsverbrechern wegen ihrer Brutalität höhere Funktionen aufgetragen wurden, ließ die SS den „SVern“ schwerste Arbeit auferlegen, da sie als „arbeitsscheue Volksschädlinge“ galten. (…) M1 11. Über Täter und Opfer der NS-Herrschaft 82 Kompetenztraining Historische Methodenkompetenz Aus den Ergebnissen der Quellenarbeit und den Erkenntnissen aus Darstellungen eine selbstständige historische Darstellung entlang einer historischen Fragestellung erstellen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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