net (…). Bis 1929 konnte praktisch jeder Arbeitslose noch mit einer Unterstützung rechnen, 1937 nur mehr jeder Zweite. (Stiefel, Der Arbeitsmarkt in Österreich. Studia Germanica et Austriaca 2/2002, S. 4 f.) Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 1929 waren in Österreich 192 000 Menschen arbeitslos. 1930 stieg die Zahl der Beschäftigungslosen auf 243 000 an. In den Jahren 1931/32 stiegen die Arbeitslosenzahlen als Folge der Weltwirtschaftskrise sprunghaft an. 1933 wies die offizielle Statistik 557 000 Arbeitslose aus. Zusammen mit den „Ausgesteuerten“ (nach einem Jahr Arbeitslosengeld und anschließender Notstandshilfe war man „ausgesteuert“) und Jugendlichen, die noch nie gearbeitet hatten, erhöhte sich diese Zahl um etwa 200 000; dies bedeutete eine Arbeitslosenrate von 38 Prozent. Diese miserable Situation vieler Menschen war nicht nur eine Folge der Wirtschaftskrise, sondern auch ein Versagen der österreichischen Wirtschaftspolitik: Auch die Regierung des autoritären Ständestaates (ab 1933) konnte die dramatische wirtschaftliche Situation nicht verbessern. Die Spirale von Arbeitslosigkeit – weniger Volkseinkommen – Konsumrückgang – Produktionsrückgang – Entlassungen drehte sich immer weiter. Dagegen wirkte die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Nationalsozialisten ab 1933 im Deutschen Reich auch auf manche Österreicherinnen und Österreicher attraktiv. Hunger, Arbeitslosigkeit und Inflation Während und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gab es eine drastische Nahrungsmittelknappheit. Vor allem Kinder und Jugendliche litten an Hunger. Tausende geschwächte Menschen starben an Tuberkulose und Grippe. Ausländische Organisationen errichteten Suppenküchen und spendeten Nahrungsmittel. Die Arbeitslosigkeit wurde nach Kriegsende verschärft durch die zurückkehrenden Soldaten und durch über 100 000 deutschsprachige Beamte, die aus allen Teilen der Monarchie nach Wien strömten. Gelder aus dem Ausland wurden vor allem benötigt, um die immer rascher an Wert verlierende Währung („Hyperinflation“) zu sanieren. Völkerbundanleihe und Sparprogramm Dem neuen Bundeskanzler Seipel gelang es, 1922 eine Anleihe (= Kredit) vom Völkerbund in Genf zu bekommen. Damit konnten die Währung und der Staatshaushalt saniert werden. Der Kredit war jedoch an harte Bedingungen geknüpft: ––Österreich musste sich (neuerlich) verpflichten, keinen Anschluss an das Deutsche Reich anzustreben. ––Zur Sicherstellung der Rück- und Zinsenzahlungen musste Österreich seine Einnahmen aus den Staatsforsten, dem Salz- und Tabakmonopol und den Zöllen verpfänden. ––Jede Ausgabe von Geld aus der Anleihe musste von einem Völkerbundkommissär genehmigt werden. ––Sparprogramm des Staates: Auflassung von sozialen Einrichtungen, Abbau von Beamtinnen und Beamten usw. Die Sozialdemokratische Partei stimmte gegen die Völkerbundanleihe. Sie fürchtete wegen der drastischen Sparmaßnahmen einen massiven Abbau der gerade erst beschlossenen Sozialgesetze. Ende 1924 wurde der Schilling als neue Währung beschlossen: 10 000 Papierkronen wurden gegen einen Schilling umgetauscht. Die Ziele der folgenden Regierungen waren eine stabile Währung und ein ausgeglichenes Budget. Der Abbau der Beamtenschaft verringerte die Staatsausgaben. Die Einnahmen wurden durch die Einführung neuer Steuern erhöht. Dies bewirkte jedoch einen Rückgang des Konsums. Dies hatte die Schließung von Betrieben und damit eine Zunahme der ohnehin schon hohen Arbeitslosigkeit zur Folge: L Nach der Währungsstabilisierung 1922 nahm (…) die Arbeitslosigkeit rasch zu und schwankte auch in den relativ guten Jahren um die 9 %. Selbst 1929, im wirtschaftlich besten Jahr der Zwischenkriegszeit, hatte man eine Arbeitslosenrate von 8,8 %, die in der Folgezeit auf über 25 % anstieg. Nach 1922 war die österreichische Wirtschaft ständig unterbeschäftigt und der Arbeitsmarkt durch eine chronische Arbeitslosigkeit gekennzeich- Lothar Rübelt (österreichischer Pressefotograf), Ausspeisungsaktion in Steyr. Foto, 1932. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Gib einen Überblick über die Entwicklung der auf dieser Doppelseite beschriebenen Parteien der Ersten Republik. 2. Erläutere die politischen und wirtschaftlichen Folgen der Völkerbundanleihe. Österreich I – die Erste Republik 41 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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