Nach dieser Definition galten im Jahr 2015 in Österreich 18,3 % der Bevölkerung als armuts- und ausgrenzungsgefährdet; das waren 1 551 000 Mio. Menschen. Die meisten von ihnen (1 167 000) befanden sich ausschließlich in einer der drei gefährdeten Lebenslagen, aber 385 000 waren von zwei oder gar allen drei Gefährdungslagen betroffen. Doch insgesamt sind es um 2,3 % oder 14.000 Menschen weniger als im Jahr 2008. Daneben halten nach aktuellen Schätzungen die Vermögensten 1 % der Bevölkerung in Österreich bis zu 34 % des gesamten Nettovermögens (= bereinigt um die gesetzlichen Steuern und Abgaben). (Zusammengefasst nach: BMASK: Sozialbericht 2015–2016, 2017, S. 185 f., 278) Faktoren, welche gegenwärtig für das Abrutschen in die Armut besonders ausschlaggebend sind: Erwerbslosigkeit: Die zunehmende längerfristige Erwerbslosigkeit zählt zu den Hauptursachen. Nicht ganzjährige Erwerbstätige sind häufiger von Armut bedroht als ganzjährig Erwerbstätige. Dabei sind jetzt soziale Gruppen betroffen, die früher vergleichsweise wenig armutsgefährdet waren, wie Facharbeiter oder Personen mit durchaus qualifizierter Ausbildung. Haushalte mit Kindern: Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern sind vor allem dann stark armutsgefährdet, wenn die Frau nicht erwerbstätig ist. Offenbar „machen Kinder arm“. Unzureichende Bildung: Personen „mit höchstens Pflichtschulabschluss“ sind signifikant häufiger armutsgefährdet als Personen mit Lehr- oder mittlerem Schulabschluss. Jugendliche ohne Ausbildung oder Arbeit sind eine der Gruppen mit dem höchsten Ausgrenzungsrisiko. Diese Problemgruppe der sogenannten „NEETs“ (Not in Education, Employment or Training) ist von 18 % im Jahr 2010 (270 000 Jugendliche zwischen 16 und 29 Jahren) auf 12,5 % (190 000) im Jahr 2015 gesunken. Nur ein Verdiener: In den Haushalten mit nur einem Verdiener ist die Armutsgefährdung deutlich höher als in Haushalten, in denen ein zweiter Verdiener (z. B. die Frau) vorhanden ist. Besonders stark von Armut und Ausgrenzung gefährdet sind allein lebende Pensionistinnen. (Nach: BMASK, Armutsgefährdung und Lebensbedingungen in Österreich, 2011, S. 50 f.; Sozialbericht 2011–2012, 2013, S. 289 f.; Sozialbericht 2015–2016, 2017, S. 190 ff.) M3 Mit Hilfe der vorliegenden Materialien sollen Politische Handlungskompetenzen weiterentwickelt werden. Im Zentrum stehen die Konzipierung und Erarbeitung von Materialien und Maßnahmen, welche die Durchsetzung politischer Anliegen zur Mitbestimmung und Mitgestaltung – sowohl in als auch außerhalb der Schule – unterstützen. Die aufgezeigten Beispiele dienen dem politischen Handeln gegen Armut an der Schule als Anregung; die einleitenden Literaturstellen liefern grundlegende Informationen. Obwohl die Bevölkerung Österreichs zu den weltweit reichsten 20 Prozent zählt, schränkt Armut nach statistischen Erhebungen die Lebensmöglichkeiten der betroffenen Personen erheblich ein: Die Menschen leben oft in Substandardwohnungen und in schlechten Wohngegenden; sie sind mit der Zahlung der Miete oder von Krediten im Rückstand; sie haben Probleme beim Beheizen der Wohnung; sie können abgenutzte Kleidung nicht ausreichend durch neue ersetzen; ihre Freizeitmöglichkeiten sind eingeschränkt; sie können am gesellschaftlichen und kulturellen Leben (z. B. Einladungen, Besuch von Kino, Theater, Kauf von Büchern) nur eingeschränkt teilnehmen und können sich übliche Konsumgüter – z. B. Geschirrspüler – häufig nur mit Mühe leisten; Eltern und ihre Kinder fühlen sich oft hilflos und wertlos u. v. m. (Nach: BM f. Arbeit und Soziales, Von Ausgrenzung bedroht, 1994, S. 15; BM f. Soziale Sicherheit und Generationen, Bericht über die Soziale Lage 2004, 2005, S. 227 f.; vgl. auch BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Sozialbericht 2015–2016, 2017, S. 185 ff.) Seit 2008 erfassen alle EU-Staaten nicht nur eine „Armutsgefährdung“, sondern eine „Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung“. Definition der von „Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten“ Personengruppen: (1)„Armutsgefährdete Personen“. Als solche gelten Personen, deren Haushalt ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle (= 60 % des Medianeinkommens der Bevölkerung) hat. (2)„Erheblich materiell beeinträchtigte Personen“. Sie leben in Haushalten, die mindestens vier von neun Merkmalen aufweisen: z. B. Zahlungsrückstände bei Mieten oder Krediten; man kann es sich nicht leisten, die Wohnung angemessen warm zu halten; unerwartete finanzielle Ausgaben sind nicht leistbar; ein PKW/eine Waschmaschine/ein Fernseher ist finanziell nicht leistbar. (3) „Personen mit keiner oder einer sehr niedrigen Erwerbsintensität“ (z. B. arbeitslos oder nur geringfügig beschäftigt). M1 M2 7. Armutsbekämpfung im reichen Österreich 154 Kompetenztraining Politische Handlungskompetenz Demokratische Mittel zur Durchsetzung eigener Anliegen konzipieren und/oder anwenden, insbesondere Formen schulischer und außerschulischer Mitbestimmung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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