Zeitbilder 7, Schülerbuch

In einigen Ländern wurden die Beihilfen für Kinder gekürzt oder es wurden Zuschläge zur Lohn- und Einkommenssteuer eingehoben, sobald in einer Familie eine gewisse Kinderanzahl überschritten wurde. Andere Länder bevorzugten kleine Familien bei der Vergabe von staatlichen Wohnungen oder begünstigten deren Kinder bei der Zulassung zu Schulen. Die chinesische Familienpolitik setzte mit staatlichen Zwangsmaßnahmen die Ein-Kind-Familie vor allem in den Städten durch. Mittlerweile wird diese rigorose Form der Familienpolitik gelockert. In Indien gab es lange Zeit Sterilisierungsprogramme als staatliche Familienplanungsmaßnahmen. Solche Maßnahmen sind – neben grundsätzlichen ethischen Bedenken – äußerst problematisch. Aufgrund der weitgehend fehlenden sozialen Sicherungssysteme (z. B. Alters- oder Arbeitslosenversicherung) in den Entwicklungs- und Schwellenländern galt nämlich eine hohe Kinderzahl in der Familie als eine Form der Altersversorgung. Die arbeitenden Kinder hatten überdies das Familieneinkommen aufzubessern. Eine chinesische Journalistin berichtet über ein Gespräch in einem Spital: QViele der Frauen schienen schwach und verängstigt. Eine von ihnen saß am Boden, allein. Sie war zierlich, wirkte zerbrechlich und sehr hilflos. Ich erfuhr, dass sie ihr fünftes Kind abtreiben lassen muss. Mit Unbehagen fragte ich, warum sie nochmals schwanger geworden sei. „Ich wollte mich selbst beweisen“, sagte sie müde. „Ich habe vier Mädchen geboren, und sie heißen Zhaodi (= einen Bruder erbitten), Pandi (= einen Bruder erwarten), Xiangdi (= an einen Bruder denken) und Sidi (= nach einem Bruder sich sehnen). Aber noch ist kein Bruder gekommen. Auf dem Land giltst du als minderwertig, wenn du keine Söhne bekommst. Ich möchte, dass mich die Menschen respektieren. Aber jetzt kann ich nicht mehr.“ (Zit. nach: The Independent, 11. 9. 1991, S. 25; übersetzt d. A.) Seit der UNO-Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo rücken viele Staaten trotz der Bedeutung der globalen Bevölkerungszahlen und Wachstumsraten die Menschen und Menschenrechte ins Zentrum der politischen Überlegungen. Es sollen Bevölkerungsfragen mit der menschlichen Entwicklung, mit der Gleichbehandlung der Geschlechter und mit den Bedürfnissen und Rechten der einzelnen Personen verbunden werden. Man erkannte, dass die Investitionen in Bildung, Gesundheit und Gleichstellung der Geschlechter den Menschen zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Dies fördert das Wirtschaftswachstum und stabilisiert auch Ungebremstes Wachstum? Nach Berechnungen der UNO hat die Weltbevölkerung 1999 die 6-Milliarden-Grenze überschritten. 2011 wurde die 7-Milliarden-Grenze erreicht. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich um weitere 2,5 Mrd. auf ca. 9,7 Mrd. Menschen anwachsen. Dieser Zuwachs entspricht fast genau der Größe der Weltbevölkerung im Jahr 1950. Die Bewältigung des starken Bevölkerungswachstums wird somit zu einer entscheidenden Herausforderung in der Menschheitsgeschichte. Erstelle aus diesen Informationen eine Grafik. Interpretiere sie unter Bezugnahme auf die in diesem Kapitel dargestellten Inhalte. Menschenrechte statt staatlich diktierter Familienplanung Auf der UN-Weltbevölkerungskonferenz in Kairo (1994) wurde eine neue Ära der Bevölkerungspolitik eingeleitet. L Seit Kairo 1994 gibt es keine ethische Grundlage mehr für Bevölkerungskontrolle im Sinne staatlich diktierter und kontrollierter Fruchtbarkeitsniveaus (hier: Anzahl der Kinder pro Frau). Ethisch – und auf lange Sicht weitaus effektiver als staatliche Kontrollen – ist eine Politik, die Frauen und ihre Partner in die Lage versetzt, selbst zu bestimmen, ob und wann sie Kinder haben möchten. Das sollte auf eine Weise möglich sein, dass die Frauen gesund bleiben und eine Gleichbehandlung der Geschlechter in allen Bereichen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens gefördert wird. (Nach: Weltbevölkerungsbericht 2016, Kurzfassung, S. 37) Bisher hatte man in den Entwicklungs- bzw. Schwellenländern versucht, über Anreize und Sanktionen den Kinderwunsch in Familien gering zu halten. 5. Die Bevölkerung in der globalisierten Welt 150 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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