Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

gültigen Sieg des deutschen Volkes? Ich frage euch: Seid ihr entschlossen, dem Führer in der Erkämpfung des Sieges durch dick und dünn und unter Aufnahme auch schwerster persönlicher Belastungen zu folgen? Zweitens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk ist des Kampfes müde. Ich frage euch: Seid ihr bereit, mit dem Führer als Phalanx der Heimat hinter der kämpfenden Wehrmacht stehend, diesen Kampf mit wilder Entschlossenheit und unbeirrt durch alle Schicksalsfügungen fortzusetzen, bis der Sieg in unseren Händen ist? Drittens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat keine Lust mehr, sich der überhandnehmenden Kriegsarbeit, die die Regierung von ihm fordert, zu unterziehen. Ich frage euch: Seid ihr und ist das deutsche Volk entschlossen, wenn der Führer es befiehlt, zehn, zwölf und – wenn nötig – vierzehn und sechzehn Stunden täglich zu arbeiten und das Letzte herzugeben für den Sieg? Viertens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen Krieg, sondern die Kapitulation. Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt noch vorstellen können? Fünftens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk hat sein Vertrauen zum Führer verloren. Ich frage euch: Ist euer Vertrauen zum Führer heute größer, gläubiger und unerschütterlicher denn je? Ist eure Bereitschaft, ihm auf allen seinen Wegen zu folgen und alles zu tun, was nötig ist, um den Krieg zum siegreichen Ende zu führen, eine absolute und uneingeschränkte? Ich frage euch sechstens: Seid ihr bereit, von nun ab eure ganze Kraft einzusetzen und der Ostfront die Menschen und Waffen zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um dem Bolschewismus den tödlichen Schlag zu versetzen? Ich frage euch siebtens: Gelobt ihr mit heiligem Eid der Front, dass die Heimat mit starker Moral hinter ihr steht und ihr alles geben wird, was sie nötig hat, um den Sieg zu erkämpfen? Ich frage euch achtens: Wollt ihr, insbesondere ihr Frauen selbst, dass die Regierung dafür sorgt, dass auch die deutsche Frau ihre ganze Kraft der Kriegsführung zur Verfügung stellt, und überall da, wo es nur möglich ist, einspringt, um Männer für die Front frei zu machen und damit ihren Männern an der Front zu helfen? Ich frage euch neuntens: Billigt ihr, wenn nötig, die radikalsten Maßnahmen gegen einen kleinen Kreis von Drückebergern und Schiebern, die mitten im Kriege Frieden spielen und die Not des Volkes zu eigensüchtigen Zwecken ausnutzen wollen? Seid ihr damit einverstanden, dass, wer sich am Krieg vergeht, den Kopf verliert? Politische Reden sind wichtige historische Quellen. Sie weisen bestimmte Merkmale auf, was den Aufbau, den Einsatz sprachlicher und stilistischer Mittel sowie Strategien betrifft. Wenn man diese analysiert, gewinnt man wesentliche Erkenntnisse über die Funktionen der Rede. Damit können auch die politischen Intentionen der Rednerinnen und Redner interpretiert werden. Auf dieser Doppelseite lernst du anhand einer berühmten politischen Rede aus der Zeit des Nationalsozialismus, die gattungsspezifischen Eigenschaften von Quellen für ihre Interpretation zu berücksichtigen. Die „Sportpalastrede“ von Joseph Goebbels Am 18. Februar 1943 fanden sich im Berliner Sportpalast, einer großen Veranstaltungshalle, fast 15 000 Menschen ein. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels hatte seine 109 Minuten dauernde Rede genau vorbereitet und inszeniert. Das Publikum war von den NS-Parteiorganisationen sorgfältig ausgewählt worden. Anwesend waren Parteimitglieder, Schauspielerinnen und Schauspieler, verwundete Soldaten, Krankenschwestern – alle überzeugte Nationalsozialisten. Fotografen und Kameraleute hatten den Auftrag, besonders den zu erwartenden Jubel der Zuhörenden in Nah- und Großaufnahmen ins Bild zu setzen. Goebbels hielt die „Sportpalastrede“ zwei Wochen nach der verheerenden Niederlage der deutschen Truppen in der Schlacht um Stalingrad. Der Glaube an den „Endsieg“ war nun bei vielen erschüttert. Goebbels’ Rede sollte die Deutschen daher aus ihrer Niedergeschlagenheit reißen und Optimismus verbreiten. Mit der Ausrufung des „totalen Krieges“ forderte er rücksichtslosen Einsatz für den Krieg. Damit wurde indirekt auch die Einführung der Zwangsverpflichtung von Frauen in Rüstungsbetrieben angekündigt. Zudem wollte Goebbels seine eigene politische Stellung festigen. Die „Sportpalastrede“ gilt als „Musterbeispiel“ einer politischen Rede oder „Propagandarede“. Die Zuhörenden zeigten jedenfalls die von Goebbels gewünschten Reaktionen: Sie brachen nach jeder rhetorischen Frage in begeisterte „Ja“- und „Heil-Hitler“- Rufe aus. Auf Goebbels’ Frage: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ nahm der zustimmende Jubel kein Ende. Die Rede wurde im Radio ausgestrahlt und später in den „Wochenschauen“ der Kinos gezeigt. So erreichte sie ein Millionenpublikum und sollte im In- und Ausland Wirkung zeigen. Der Schluss von Goebbels’ Rede lautete: Ihr also, meine Zuhörer, repräsentiert in diesem Augenblick die Nation. Und an euch möchte ich zehn Fragen richten, die ihr mir mit dem deutschen Volke vor der ganzen Welt, insbesondere aber vor unseren Feinden, die uns auch an ihrem Rundfunk zuhören, beantworten sollt: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk habe den Glauben an den Sieg verloren. Ich frage euch: Glaubt ihr mit dem Führer und mit uns an den end4. Politische Reden im Nationalsozialismus: Beispiel „Sportpalastrede“ 60 Kompetenztraining Historische Methodenkompetenz Gattungsspezifik von historischen Quellen für ihre Interpretation berücksichtigen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=